Sarum
mitgenommen – hatte er das Mädchen getroffen, und für beide war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. In einem solchen Fall mußte ein junger Mann wie Porteus damit rechnen, wegen seiner Anmaßung höflich, aber unverzüglich und unwiderruflich aus dem Haus des Senators gewiesen zu werden, und genau das versuchte Gracchus auch. Doch Lydia hatte sich verliebt: Das hätte einem wohlerzogenen römischen Mädchen keineswegs widerfahren dürfen. Sie hatte pausenlos gejammert und geschmollt, und einen Monat später hatte ihr Vater, der sich noch um zwei Söhne und zwei weitere Töchter Gedanken machen mußte, genug davon und gab nach.
»Gegen den jungen Porteus ist nichts einzuwenden«, meinte die Mutter des Mädchens.
»Aber es spricht auch nichts zu seinen Gunsten«, entgegnete der schwergewichtige grauhaarige Senator gereizt. Und damit hatte er völlig recht.
Der junge Porteus hatte vage Ambitionen auf eine literarische Karriere, die sich vorerst auf einige jugendliche Epigramme beschränkte; sie machten unter seinen Freunden die Runde, und Lydia fand sie wundervoll. Mit den Einkünften aus dem Grundbesitz in Südgallien konnte die bescheidene gesellschaftliche Stellung der Familie eben aufrechterhalten werden. Obwohl Porteus’ Vater ihm zugeredet hatte, sich als Advokat der Jurisprudenz zuzuwenden, war seine Karriere in Rom bis jetzt alles andere als vielversprechend.
»Die Tochter eines Gracchus heiratet keinen Niemand«, knurrte der Senator. »Wir müssen also irgend etwas aus ihm machen.« Die von ihm getroffene Lösung war in jeder Hinsicht vernünftig. Durch seinen Einfluß wurde der junge Mann für drei Jahre in den persönlichen Stab des neuernannten Statthalters von Britannien, Sueton, aufgenommen.
»Gib dem jungen Porteus eine Chance, sich entweder auszuzeichnen oder getötet zu werden«, sagte er zu dem bärbeißigen General. »Es ist mir gleichgültig.«
Die cohors amicorum bildete einen informellen Stab um den Statthalter: Oft gehörten ihm junge Männer aus aristokratischen Familien an, die auf Größeres vorbereitet wurden, und in dieser Elitetruppe würde Porteus wichtige Verbindungen anknüpfen und den internen römischen Verwaltungsapparat kennenlernen. Der Statthalter konnte ihm für eine bestimmte Zeit einen Posten in der neuen Provinz übertragen, und am Ende wäre der junge Ritter bereit für zukünftige wichtige Ämter. Dann konnte Gracchus ihn auf eine Karriere ansetzen, die eines Mitgliedes seiner Familie würdig wäre. Bis dahin war er zumindest sehr fern von Rom.
»Wenn wir Glück haben, vergißt ihn Lydia während seiner Abwesenheit«, sagte der Senator im Vertrauen zu seiner Frau, »sie ist jetzt dreizehn, aber sicher finden wir in zwei Jahren auch noch einen Ehemann für sie.«
Mit Porteus sprach der Senator sehr ernsthaft: »Du bist mit Lydia verlobt. Wenn du sie heiraten willst, mußt du dich auf diesem Posten beweisen. Wenn du versagst, will ich dich nicht mehr sehen.« Alles in allem war es ein großzügiges Angebot des Senators, denn der Statthalter von Britannien war ein bedeutender Mann. Gaius Suetonius Paulinus, ein aufgeblasener, rotgesichtiger, reizbarer Soldat, hatte sich in mehreren Feldzügen hervorgetan. Er kannte sich aus mit Kriegen und Gebirgen – und nach seiner Ankunft in der Inselprovinz machte er sich sofort auf die Suche nach beidem. Sein Ansehen in Rom war beträchtlich, er war ein Günstling des Kaisers Nero.
Der bedauernswerte Claudius lebte nicht mehr, sechs Jahre zuvor hatte seine Frau ihn vergiftet. Das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Sie war noch jung und der lahme Kaiser hoch in den Jahren. Sie hegte für ihren kleinen Sohn aus einer früheren Ehe, Nero, ehrgeizige Pläne und überredete Claudius, den Jungen zu seinem Nachfolger zu machen. Sobald sie dies erreicht hatte, verlor sie ihr Interesse an dem alternden Kaiser. Er hätte das wissen und Vorsicht walten lassen sollen. Doch Claudius war einfältig geworden – schlimmer noch: Er war in seine grausame junge Frau verliebt.
Nero war launisch, jedoch genial. Sobald er Kaiser war, ermordete er seine Mutter, die ihn auf den Thron gebracht hatte, und herrschte nun auf seine eigenwillige Weise. Es zeigte sich bald, daß er es besonders liebte, als Akteur auf der Bühne zu stehen. Mit seinen grotesken, obszönen Auftritten schockierte er den Senat weit mehr, als es der armselige stotternde Claudius jemals vermocht hatte. Einige wahrhaft verdienstvolle Männer zählten allerdings zu seinen
Weitere Kostenlose Bücher