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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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unter Menschen kam. Er ging an dem Holzkohlenfeuer vorbei, wo die Frauen das Mahl zubereiteten, und betrat die große, strohgedeckte Halle, in deren Mitte ein weiteres Feuer brannte. Da spürte er plötzlich, wie sehr er in seinem unwirtlichen Quartier in Sorviodunum Wärme und Geborgenheit vermißt hatte.
    Zu seiner Überraschung war niemand von den Einheimischen anwesend. Tosutigus begrüßte nur ihn. Er trug wieder eine Toga und führte den jungen Römer zu einer Ruhebank neben dem Feuer. »Ich will dir zeigen, daß auch wir Kelten ein römisches Mahl zuzubereiten verstehen«, rief er. »Meine Tochter kann es.« Die nun folgende Mahlzeit war besser als alles, was Porteus seit seinem Weggang aus dem Dienst beim Statthalter gegessen hatte, und sie entsprach tatsächlich den römischen Gepflogenheiten. Zuerst gab es die gustatio: Austern, in Salzlauge aus dem Süden eingeführt, einen mit Pfeffer und Olivenöl angemachten Salat und ein köstliches Eiergericht. Dann die Hauptgänge: Wildbret, außerdem ein landesübliches Hammelgericht mit Rosmarin und Thymian. Es gab Neunaugen, Forellen und Kalb. Dazu reichten die Frauen große, süß duftende, quadratische, ungesäuerte Brote und die köstliche Butter aus der Gegend. Schließlich kamen, als mensae secundae, von Maeve bereitete Puddings, Äpfel und Birnen. Es war ein herrliches Mahl. Zu trinken gab es nicht Ale und Met, wie Porteus erwartet hatte, sondern ausgezeichnete Weine aus Gallien. Er genoß alles so ausgiebig, daß er selbst an Tosutigus’ schwerfälligen Witzen Vergnügen fand und sich nicht durch die ständigen Hinweise belästigt fühlte, er solle ihn, Tosutigus, vorteilhaft beim Statthalter erwähnen.
    Das Mahl wurde von dem rothaarigen Mädchen und ihren Dienerinnen serviert. Bei dieser Gelegenheit schien sie von ihm keine besondere Notiz zu nehmen, aber seine Augen folgten ihr durch den Raum; er nahm die stolze Haltung ihres Kopfes, die wunderschönen, im Feuerschein glänzenden Locken und den schwingenden Rhythmus ihres Ganges wahr. Sie trug ein schlichtes grünes Kleid, der Rock war an einer Seite fast bis zur Taille offen und ließ ihr Bein sehen.
    »Ein vorzügliches Mahl«, äußerte er am Schluß voller Anerkennung. »Du solltest meiner Tochter danken«, antwortete der Kelte und rief das Mädchen. Während ihr Porteus dankte, wie die Sitte es gebot, stand sie vor ihm, diesmal mit bescheiden gesenktem Blick, das Haar fiel ihr über die Wangen. Trotz seiner Liebe zu Lydia hatte der junge Römer den plötzlichen Drang, dieses wunderbare Mädchen in seine Arme zu nehmen. Er mußte über sich selbst lachen. Ganz sicher lag es an dem herrlichen Essen. Er wußte allerdings nicht, daß Maeve jede seiner Speisen mit einer sorgfältig zubereiteten Kräutermischung übergossen hatte. Die älteren Frauen hatten ihr versichert, daß es ein starker Liebestrank sei. Ob es an den Kräutern lag, ob Speise und Trank ihre Wirkung getan hatten – jedenfalls nahm sie mit einem verstohlenen Blick wahr, daß die Augen des Römers glühten. Vor Lust, hoffte sie. Sie hielt ihren Blick gesenkt, aber innerlich verspürte sie zum erstenmal den Triumph ihrer Weiblichkeit. »Er wird mein sein«, dachte sie.
    Tosutigus wußte weder von den Liebeskräutern noch davon, daß Maeve Pferde gezählt hatte; als er jedoch durch halb geschlossene Augenlider die Wirkung seiner Tochter auf Porteus beobachtete, lächelte er in sich hinein.
    Der keltische Stammesfürst war nicht so naiv, wie der junge Römer glaubte. Einen Monat zuvor war Tosutigus nach Calleva geritten und hatte sich unauffällig über Porteus erkundigt; er hatte sich mit einem Beamten aus dem Stab des Statthalters getroffen und von ihm die ganze Geschichte von Porteus’ künftiger Heirat, seinem Streit mit Sueton und seiner Ungnade erfahren; auf all das machte er sich seinen eigenen Reim. Es war ihm auch nicht entgangen, wie energisch sich der junge Römer an seine Arbeit in den kaiserlichen Ländereien gemacht hatte. Diesmal war sein Urteil realistisch.
    Er ist immer noch ein guter Fang für meine Tochter, erwog er. Trotz seines Pechs war Porteus in Anbetracht dessen, was Maeve in einem verlassenen Nest wie Sorviodunum erwarten durfte, eine denkbar gute Partie.
    Unter einem anderen Statthalter oder mit der Hilfe des Prokurators kann er es noch weit bringen, dachte der Kelte. Auf alle Fälle wären meine Enkel gebürtige römische Bürger. Wer weiß, was sie dann erreichen werden!
    »Ich glaube, dieser junge Römer

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