Sarum
Stute!« Mit wehendem Haar jagte sie auf die Hochebene zu.
Porteus lachte. Gut, wenn sie auf ein Rennen erpicht war, konnte sie es haben! Er ließ ihr hundert Schritte Vorsprung und galoppierte ihr dann nach.
Überrascht stellte er fest, daß sich der Abstand zwischen ihnen vergrößerte. So stark der große Graue auch war, er trug einen neuen Reiter, und der Weg war steil; die behende Stute war schneller, obwohl das Mädchen seitwärts auf dem Pferd saß.
Trotz des Hufgetrappels glaubte Porteus ihr spöttisches Lachen zu hören. Schon war sie auf dem Hügel angelangt, umkreiste die Düne und nahm dann den Weg nach Nordwesten. Im ebenen Gelände konnte sein Hengst aufholen; immerhin war er erst auf halber Strecke zwischen Dünen und Henge auf gleicher Höhe mit ihr.
Sie fielen in leichten Galopp, dann in Schritt. Pferde und Reiter waren außer Atem.
»Du hast dir Zeit gelassen, Römer!« rief sie. »Aber dann bin ich langsamer geworden, damit du mich einholen konntest.« Er wollte widersprechen, aber das Mädchen lachte ihn einfach aus. Ihre Augen funkelten. Ihr dünnes Leinengewand war, vielleicht rein zufällig, über die Schulter herabgeglitten – er sah die Spitze der einen Brust. Dieses Mädchen war tatsächlich wunderschön.
Maeve wandte ihre Augen nicht von ihm. Sie sah kleine Schweißperlen an seiner leichtbehaarten Brust hinunterrinnen, sie sah die Erregung in seinem Blick. Als er sich zu ihr hinüberbeugte, um sie zu küssen, fiel ihm plötzlich ein, daß sie die Tochter eines Stammesfürsten war, und er hielt sich zurück. Sie lachte.
»Ihr Römer behauptet, es gebe vier Elemente«, sagte sie. »Erde, Wasser, Luft und Feuer. Und woraus sind die Römer gemacht? Aus Erde?«
»Wahrscheinlich«, lachte er. »Und du?«
»Ich bin aus Feuer, Römer.« Sie spornte ihr Pferd zu schnellem Galopp an. »Reines Feuer!«
Sie ritten zur Düne zurück. Porteus gewöhnte sich allmählich an den Rhythmus des Hengstes. Als er in Sorviodunum abstieg, meinte er: »Den Grauen würde ich gerne wieder reiten.«
»Das geht nicht«, erwiderte sie schelmisch. »Wieso nicht?«
»Mein Vater hat ihn für meinen Bräutigam gekauft. Ich habe ihn dich nur einmal reiten lassen.«
»Und wer wird dein Bräutigam sein?« fragte er ruhig. »Wer weiß?« entgegnete sie lachend. »Wen immer mein Vater auswählt.« Sie wendete ihr Pferd, griff den Grauen am Zügel und galoppierte fort.
Zwei Tage später kam ein sehr kurzer Brief von Lydia.
Liebster Caius,
Ich bin mit Marcus verlobt. Wenn dieser Brief Dich erreicht, sind wir schon verheiratet. Ich glaube, es ist am besten so, und ich hoffe, Du stimmst zu. Ich denke oft an Dich, und Marcus spricht sehr freundschaftlich von Dir. Vielleicht treffen wir uns alle eines Tages wieder.
Deine Dich liebende Lydia.
Das war der schlimmste Schlag. Und doch konnte er, als er den Brief mit Tränen in den Augen las, Lydia keinen Vorwurf machen. Zuerst war er wütend über den Verrat seines Freundes, doch schließlich erkannte er, daß er im Grunde auch gegen ihn nichts haben konnte. Traurig schrieb er einen Glückwunsch. Für Marcus fügte er noch hinzu:
Mein lieber Freund,
Ich weiß, daß Gracchus unter den jetzigen Umständen meiner Heirat mit Lydia nie zugestimmt hätte. Daher freut es mich, daß das Mädchen, das ich liebe, glücklicherweise jemanden gefunden hat, von dem ich die allerhöchste Meinung habe. Lege ein gutes Wort für mich in Rom ein.
Caius Porteus.
In der Hoffnung, Lydia dadurch leichter zu vergessen, arbeitete er härter denn je auf den Ländereien. Erstaunt stellte er fest, daß er allmählich Freude an der Arbeit bekam. Es war gutes Land. Oft ritt er an den langen Sommerabenden darüber hin und betrachtete sein Werk, und dabei war es ihm manchmal fast, als wäre das alte Land von Sarum sein eigenes.
Ein paarmal begegnete er auf diesen Ritten Maeve, und am Abend ritten sie dann langsam über die Hügelkämme heimwärts. Einmal blickten sie in Tosutigus’ Tal hinunter, über die welligen Felder, die in der Abendsonne purpurn leuchteten. Da sagte Maeve: »Ich glaube, du hast dieses Land gern, Caius Porteus.« Er nickte – in diesem Augenblick war es wirklich so. »Es ist gutes Land«, sagte sie einfach, »und wert, es zu besitzen.« Dann ritt sie still davon.
Es war eindeutig, was sie damit ausdrücken wollte. Der letzte Zweifel wurde jedoch zerstreut, als Tosutigus ihn kurz vor der Ernte auf sein Anwesen einlud.
Diesmal trug das Stammesoberhaupt keine Toga, sondern
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