Satans Bruder
etwas zu trinken und zu lesen gekauft. Sie erzählte mir, dass sie ein Baby erwartet.«
Er schwang seine Füße vom Schreibtisch.
»Ja, ihre Mutter sagt, sie hätte sich sehr darauf gefreut.« In seinem Blick lag echter Schmerz. »Wer so was tut, dem sollte man die Nüsse abschneiden und ihm in den Hals stopfen.«
Das Telefon klingelte und er griff nach dem Hörer. »Ja? Nein, noch nicht. Nicht bevor sein Anwalt ... Ich weiß nicht.«
Er knallte den Hörer auf die Gabel. »Das war Mr. Creedman. Er will eine Geschichte für seine Nachrichtenagentur schreiben.«
»Was für ein Glückspilz.«
»Wie meinen Sie das?«
»Dass er jetzt endlich etwas hat, worüber er schreiben kann.«
»Was halten Sie von ihm?«
»Nicht viel.«
»Ich auch nicht. Am ersten Tag, als er hier aufkreuzte, hat er versucht, meine Mutter anzumachen. Na, die hat ihm was erzählt.«
Er blickte mich an. Er war ein gut aussehender Mann, doch im Moment wirkte er wie ein Nashorn, das jeden Moment angreifen konnte.
»Sagen Sie mir, Doktor: Gehört Ben zu den Menschen, wo Sie, wenn Ihnen jemand erzählte, er hätte jemanden umgebracht, sagen würden: ›Nein, unmöglich, ausgeschlossen‹?«
»Um das zu beantworten, kenne ich ihn nicht gut genug.«
Er lachte. »Das ist schon Antwort genug. Nicht dass ich irgendetwas gegen ihn hätte. Ich habe ihn immer dafür bewundert, wie er sich aus dem Dreck gezogen hat. Ich bin ohne Vater aufgewachsen, aber meine Mutter ersetzt zehn Väter. Bens Alte war eine dreckige Säuferin und sein Vater war ein echtes Arschloch. Er hat ihn ständig verprügelt, einfach so zum Spaß. Sind das nach euren Theorien nicht genau die Umstände, in denen Mörder groß werden?«
»Es kann dazu führen. Andererseits gibt es jede Menge misshandelter Kinder, die nicht gewalttätig werden, und Kinder aus guten Familien, die zu Ungeheuern werden.«
»Sicher«, sagte er, »es ist alles möglich, aber wir reden hier von Wahrscheinlichkeiten. Ich habe selbst ein bisschen Psychologie studiert und über Einflüsse in der Kindheit gelesen. Bei jemandem wie Ben sollte man nicht überrascht sein, wenn er durchdreht. Die Überraschung ist eher, dass er sich zwischendurch so gut gefangen zu haben schien und sich ganz normal benahm.«
»Zwischendurch?«
Anstatt mich aufzuklären, trank er seinen Kaffee aus. Meinen hatte ich kaum angerührt, und das fiel ihm nun auf. »Ich weiß, er schmeckt grausig. Wollen Sie es vielleicht mit einem Tee versuchen?«
»Nein, danke.«
»Es ist wirklich übel«, sprach er in seinen leeren Becher.
»Bettys Familie, Mauricio, und dann Claire und ihre Kinder. Alle sind hier zusammengepfercht. Die Leute können einander einfach nicht entkommen.«
Wieder klingelte das Telefon und diesmal wurde er den Anrufer los, indem er zwei Worte durch die Leitung brüllte.
Er stand auf und kam auf mich zu. »Ich hab schon einiges gesehen, Doktor, aber was mit diesen beiden Frauen passiert ist ...«
»Nachdem ich die Valdos-Akte gesehen hatte, habe ich meinen Freund bei der Polizei angerufen. Er hat nach ähnlichen Morden gesucht und nur einen einzigen Fall gefunden, vor zehn Jahren in Maryland.«
»Warum haben Sie ihn darum gebeten?«
»Das habe ich gar nicht. Er hat es von sich aus getan.« »Warum?«
»Mein Freund ist ein neugieriger Bursche.«
»Er wollte wohl sehen, was die wilden Insulaner so treiben, nicht wahr? Der Fall in Maryland ist mir übrigens bekannt.« Er rasselte ein paar Einzelheiten herunter. »Mein Computer funktioniert zwar nur manchmal, aber zum Glück habe ich noch ein paar Kontakte bei der Militärpolizei in Guam, und die haben sich für mich in den Datenbanken auf dem Festland umgetan.«
»Was halten Sie von den Ähnlichkeiten?«
»Ich glaube, die Satanisten folgen alle dem gleichen Drehbuch.«
»Gibt es denn Hinweise, dass Ben irgendwas mit Satanismus zu tun hatte?«
»Nein.«
»Und auf Aruk? Hat es hier jemals einen solchen Kult gegeben?«
»Keine Spur. Hier sind alle katholisch. Aber Ben hat vor zehn Jahren auf Hawaii gelebt. Wer weiß, welchen Mist er da aufgeschnappt hat.«
»Hat er von dort auch Abstecher aufs Festland unternommen?«
»Nach Maryland, meinen Sie? Eine gute Frage. Ich werde das überprüfen, aber wenn Sie mich fragen, hat er wahrscheinlich auf Hawaii Mädchen umgebracht und ist nur nicht geschnappt worden. Wenn Sie mich fragen, hatte er großes Glück, dass man ihn nur wegen ›Unzucht‹ drangekriegt hat.«
Mein Gesichtsausdruck rief ein Lächeln bei ihm
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