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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hervor.
    »Das habe ich gemeint, als ich von ›zwischendurch‹ sprach.«
    »Wann war das?«, fragte ich.
    »Vor zehn Jahren. Er hat sich mit heruntergelassener Hose bei einer Frau vors Fenster gestellt und mit seinem Pimmel gespielt. Er war bei der Küstenwache und die haben sich dann darum gekümmert. Er ging für neunzig Tage in den Bau. So fangen viele Sexualverbrecher an, nicht wahr?«
    »Manchmal, ja.«
    Sein Blick war voller Abscheu. »Also, Sie haben eine Stunde. Geben Sie ihm Ihre moralische Unterstützung, wenn Sie wollen.«

27
    Am Ende des Ganges hinter dem Büro war eine zerbeulte Stahltür mit einem dicken Eisenriegel davor. Laurent nahm mir die Uhr ab, leerte meine Taschen und legte meine Habseligkeiten neben seiner Pistole auf einen Tisch. Dann öffnete er das Schloss, hob den Riegel an und steckte den Schlüssel wieder in die Tasche.
    Er stieß die Tür auf und ich stand vor schmutzig grauen Gitterstäben. Es stank nach Schwefel und Exkrementen.
    Das Gefängnis hatte zwei Zellen, drei Schritt lange Käfige mit Betonboden, jeweils einem drahtverstärkten Rauglasfenster, einem an die Wand geketteten Etagenbett und einem braun verkrusteten Loch im Boden. Die Decke war ungefähr zwei Meter hoch und in allen Ecken und Rissen wucherte der Schimmel. Die Wände waren mit zum Teil jahrzehntealten, mit Fingernägeln eingeritzten Inschriften bedeckt.
    Ich verzog das Gesicht.
    »Willkommen in Istanbul», sagte er ohne jeden Stolz. »Normalerweise bleibt niemand länger als ein paar Stunden hier drinnen, meistens nur zum Ausnüchtern.«
    Die erste Zelle war leer. Ben saß auf dem unteren Bett der zweiten, das Kinn in die Hand gestützt.
    »Sieh mal an. Er scheint sich sogar bewegt zu haben«, sagte Laurent laut.
    Ben rührte sich nicht.
    Laurent zog wieder seinen Schlüsselbund heraus und bald war ich eingeschlossen, allein mit Ben. Laurent stand draußen und tippte auf seine Armbanduhr. »Eine Stunde. Ich lasse die Tür auf. Wenn was ist, können Sie schreien.« Dann ging er weg.
    In der Zelle war der Gestank noch schlimmer und die Hitze fast unerträglich. Ich versuchte einen Platz zu finden, wo ich ein bisschen Abstand zu Ben halten konnte, doch der Raum war so klein, dass das nicht möglich war.
    Ben rührte sich immer noch nicht. Sein Blick ging ins Leere.
    »Hi«, sagte ich leise. Obwohl ich mit meinen ein Meter achtzig ein wenig Kopfraum hatte, stand ich gebückt. »Dr. Bill schickt mich, um zu sehen, ob ich irgendetwas für Sie tun kann, Ben.«
    Er blieb vollkommen regungslos. Er blinzelte nicht einmal. Sein Haar war fettig und sein Gesicht voller schmutziger Schweißspuren. Auch ich war bereits nassgeschwitzt.
    »Ben?«
    Ich nahm seinen rechten Arm und versuchte ihn unter seinem Kinn wegzuziehen, doch er hielt ihn steif und fest.
    Also keine Katatonie.
    Ich ließ los und wiederholte meine Begrüßung, doch er überhörte mich weiter.
    Nach drei weiteren Versuchen und fünf Minuten sagte ich schließlich: »Na gut, Sie sind ein politischer Gefangener und protestieren mit Ihrem Schweigen gegen die Ungerechtigkeit der Welt.«
    Immer noch keine Reaktion.
    Ich wartete. Seine Wangen waren eingesunken, fast so hohl wie die von Moreland. Er hatte seine Brille nicht auf. Die hatte man ihm weggenommen, zusammen mit Schnürsenkeln, Gürtel, Uhr und allem anderen, was irgendwie scharfkantig war.
    Ich starrte ihn an, in der Hoffnung, es würde eine Reaktion hervorrufen. Seine Fingernägel waren vollkommen abgekaut. Ein Daumen war blutig. War er schon immer ein Nagelbeißer gewesen? Es war mir nie aufgefallen. Oder hatte sich Betty Aguilar gewehrt und er hatte dabei einen Nagel verloren, und dann hatte er sich alle Nägel abgekaut, um die Spur zu verwischen?
    Ich suchte auf dem Boden nach Fingernägeln, doch ich sah nichts als verkrusteten Schmutz und Schleifspuren. Vielleicht hatte er sie ins Klo geworfen.
    Unter dem Bett marschierte eine Kolonne schwarzer Ameisen vorbei, doch nachdem ich Morelands Zoo gesehen hatte, kamen sie mir lächerlich winzig und harmlos vor.
    Weder sein Gesicht noch seine Hände zeigten irgendwelche Kratzer. Seine Haut war fahl, doch ich sah keine Blutergüsse.
    »Wie schlecht sehen Sie ohne Brille?«
    Keine Antwort.
    Ich zählte langsam von eins bis tausend.
    »Sie benehmen sich nicht gerade so, als wären Sie unschuldig, Ben.«
    Immer noch nichts.
    »Was wird aus Ihrer Familie, aus Claire und den Kindern?«
    Keine Reaktion.
    »Sie sind ein Idiot«, sagte ich so laut, wie es möglich war,

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