Satans Erbe (German Edition)
Sprechen. Er wollte nicht mehr darüber nachdenken, trotzdem konnte er nicht verhindern, dass seine Gedanken in die Vergangenheit abglitten, dass sich sein Geist wie schon so oft tiefer und tiefer im Strudel der damaligen Ereignisse verfing.
Er hatte es gewusst. Er hatte gewusst, dass etwas nicht stimmte und er hatte es ignoriert. Das ganze Getue um Esoterik … erst heute war ihm bekannt, dass der Begriff auch für eine Reihe okkulter Lehren und Praktiken Verwendung fand, als Bezeichnung für Geheimlehren, hinter denen sich leicht Scharlatane oder Psychopathen verstecken konnten.
Deutlich erinnerte er sich an das Aufblitzen in Ahrimans Augen an dem Tag, als Arno ihm den Vorschlag gemacht hatte, mit Kiruscha Elisas Erziehung zu übernehmen. Er hatte es für aufrichtige Freude gehalten. Er lachte bitter auf, denn Freude hatte es dem Kerl ganz sicher bereitet. Er sah Kiruschas geschwollene Gesichtshälfte vor sich, als er am Abend nach seinem Gespräch mit Ahriman mit ihr geredet hatte. Wie leichtfertig er ihre Erklärung, sie habe Zahnschmerzen und eine entzündete Wurzel, geglaubt hatte, obwohl ihm schon damals klar gewesen sein musste, warum Ahriman zuerst mit ihr hatte reden wollen. Ihm fiel ein, wie John, der versucht hatte, ihm den Kopf zu waschen, plötzlich verschwunden war und niemand sich einen Reim darauf machen konnte, ihm fiel ein … Seine Gedanken hatten die Vergangenheit Stück für Stück umgekrempelt. Er erkannte immer mehr Einzelheiten und Umstände bis hin zu den Fakten, die er von der Kriminalpolizei erfahren hatte. Der Tankstellenüberfall mit dem Diebstahl einer Waffe, der Mord an seinen Eltern, die am selben Tag durch Kopfschüsse getötet worden waren, das Auftauchen von Ahriman am nächsten Tag … die Verblendung seines Bruders durch diesen Menschen, seine eigene Verblendung, ihm fiel ein …
Sein Gehirn wollte nicht mehr aufhören, die Zusammenhänge zu kombinieren, die Details hervorzuheben, ihm alle seine Fehler vor Augen zu führen.
Sein Weg lag klar vor ihm. Und Gnade Gott denen, wenn sich seine Befürchtungen bewahrheiten sollten. Warum war ihm das alles erst in den letzten Wochen bewusst geworden? Warum hatte er sich nicht längst seinen Erkenntnissen gestellt, den Fehlern seines Lebens? Er wusste es doch, er wusste es seit Monaten. Seit Jahren, verbesserte er sich selbst quälend.
Während des gesamten Fluges peinigten ihn schreckliche Szenarien, die sich wie Brandmale in sein Gehirn stempelten. Geistesabwesend meisterte er die Umstiege an den Flughäfen, kassierte mehr als einen misstrauischen Blick der Kontrolleure, aber weil er nichts Auffälligeres an sich hatte als seine gedankliche Abwesenheit, ließ man ihn überall passieren.
Am 2. August gegen Mittag kam er in Zürich an. Zeit genug, die Villa zu beobachten und seine Schritte vorzubereiten. Arno war sich sicher, dass sein Brief sein Ziel erreicht hatte und seiner Aufforderung Folge geleistet werden würde. Kurzfristig kam der ›alte Arno‹ in ihm hoch, dem nie etwas misslungen war, wenn es um die Durchsetzung seines Willens ging – er machte sich keine Gedanken darum, was wäre, wenn nicht alles nach seinem Plan verliefe, was wäre, wenn …
Arno würgte die Erkenntnis ab, dass ihm in Wirklichkeit gar nichts gelungen war, außer seine Familie zu vernichten. Er griff zu der Packung Tabletten, von denen ihn zahlreiche in den letzten Jahren begleitet hatten. Sie hatten ihm seit Petras Tod geholfen, ruhig zu bleiben, seinen Schmerz einzudämmen, auch wenn sie ursprünglich nur dazu verhelfen sollten, seine morgendlichen Schwindelgefühle zu beseitigen. Es war ihm nie schwergefallen, sich ausreichende Mengen immer stärkerer Medikamente zu besorgen, obwohl kein Quacksalber ihn seit damals mehr zu Gesicht bekommen hatte. Er drückte die letzten vier Kapseln aus der Verpackung, schluckte eine und versenkte die übrigen in seiner Hosentasche.
Der Bankangestellte ließ ihn diskret allein, nachdem er ihn in den Tresorraum geführt hatte. Arno schloss sein Schließfach auf und nahm die Schublade heraus. Er zog sich in die Kabine zurück und öffnete sie. Prüfend glitten seine Finger über den Schaft der Pistole. Die Waffe glänzte wie neu. Er reinigte sie penibel. Sie würde einwandfrei funktionieren. Er füllte das Magazin sowie ein Ersatzmagazin und steckte beides ein. Bekräftigt in seinem Vorhaben verließ er die Bank.
Mit seinem Leihwagen fuhr er eine Weile durch Thun und Interlaken, vorbei an der verlassenen
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