Satans Erbe (German Edition)
keinen Absender, aber dem Stempel entnahm er, dass er in Georgetown, Guyana, aufgegeben worden war und eine 4-wöchige Reise hinter sich hatte. Südamerika … seine geografischen Kenntnisse ließen ihn nicht im Stich.
Im Stich ließ ihn allerdings sein Gedächtnis, denn ihm wollte nicht einfallen, wer der Absender sein könnte. Vier Wochen? War er wirklich schon vier Wochen lang hier? Der Absender konnte ihn schlecht losgeschickt haben, bevor er seine neue Adresse wusste … Da die Anschrift aufgedruckt war, gab es keine Handschrift, die zu entschlüsseln er in der Lage gewesen wäre.
Endlich fand er die nötige Courage. Mit zitternden Fingern hob er eine Lasche am Umschlagrand und riss das Papier entzwei. Hektisch entfaltete er den Bogen. Die energische Schreibweise war ihm sofort vertraut.
Hallo Fätzätüfäl!
Ihm stiegen Tränen in die Augen.
Bist du bereit für ein neues Abenteuer?
Er überflog den Rest der Seite mit brennenden Lidern, doch es wollte keinen Sinn ergeben. Arno war sein Bruder. Und ganz bestimmt der Absender. Aber er hatte sich noch nie hier blicken lassen und Bernhard glaubte, dass … was eigentlich? Bei seinen vielen nächtlichen Besuchen der Villa, während er oft mehrere Stunden auf der Lauer gelegen hatte und das Haus beobachtete, hatte er Arno nie gesehen. Petra ebenfalls nicht oder seine kleinen Nichten. Aber die schliefen um diese Zeiten wohl auch. Dunkel und still lag das Gebäude vor ihm, meist von keinem Lichtschein aus dem Inneren erhellt. Das einzige Mal, dass er Leben in der Villa bemerkt hatte, war, als eines Nachts eine Frau in der Küche herumwerkelte, aber es war nicht Martha, oder? Er konnte sich nicht erinnern. Ein anderes Mal hatte er Fahrzeuge gesehen, die vor dem Haus parkten. Doch innen rührte sich nichts.
Bis in den Park wagte er sich hin und wieder ebenfalls vor, allerdings nie so weit, als dass er Gefahr lief, in den Pool oder in den Teich zu fallen. Um diese Stellen machte er einen riesigen Bogen. Bei seinem letzten Ausflug hatte er sogar einen Blick in den Arbeitsraum neben der Garage gewagt. An einem Haken an der Tür sah er durch das Fenster Johns Mütze, deren blanker Schirm im Mondlicht glänzte.
Bernhard fasste den Brief an einer Ecke und las ihn erneut.
Hallo Fätzätüfäl!
Bist du bereit für ein neues Abenteuer? Erinnere dich an Tom und Huck! Weißt du noch? Erinnere dich, wie wichtig es ist, dich genau an meine Anweisungen zu halten, damit das Abenteuer gelingt. Wirst du das für mich tun?
Der Rest der Seite war leer. Er musste neuen Mut fassen, das Schreiben herumzudrehen.
Schleich dich aus dem Sanatorium. Triff mich in der Nacht zum 3. August um 02:00 Uhr an der Villa. Sei pünktlich, aber keinesfalls zu früh. Keinesfalls! Versprich mir das!
Ungefähr zur gleichen Zeit mit diesem Brief sollte dir ein Bote Geld überbringen. Nutze es, falls nötig, um dir einen Freigang zu erkaufen. Jeder Mensch ist käuflich, erinnerst du dich?
In den nächsten Tagen wirst du außerdem ein Paket bekommen. Es enthält persönliche Erinnerungen, die ich mir abholen werde, sobald ich im Land bin.
Ich sehne mich danach, dich in meine Arme zu schließen.
Der Brief trug keine Unterschrift. Fast hätte Bernhard den Zusatz am unteren Blattrand übersehen.
Ich liebe dich!
Bernhard freute sich. Endlich wieder ein Abenteuer mit seinem großen Bruder. Glücklich lehnte er sich auf seinem Bett zurück. Was hatten sie als Buben nicht alles angestellt.
Der 2. August schritt viel zu langsam voran. Nach dem Abendessen verzog sich Bernhard sofort auf sein Zimmer. Kaum dort angelangt, ging er zurück ins Patientenwohnzimmer. Nur nicht auffallen. Das abendliche gemeinsame Fernsehprogramm durfte er nicht versäumen.
Um 23 Uhr lag er endlich in seinem Bett. Er lauschte den Geräuschen auf der Station, nach und nach wurde es still. Er vernahm kein leises Kichern mehr, keine schlurfenden Schritte auf dem Gang, kein Klappern irgendwelcher Türen. Die Stunden zogen sich dahin. Um eins erhob er sich, schlüpfte in seine bereitgestellten Turnschuhe und schlich an die Zimmertür. Nachdem er Ulrike ein weiteres Mal bestochen hatte, hatte diese kurzfristig den Dienst tauschen müssen, damit sie ihn in dieser Nacht hinauslassen konnte. Aber das war ihm egal. Mit Geld konnte man alles erreichen, hatte ihm das Arno nicht schon vor Jahren erklärt? Eigentlich hätte er sich die Schauspielerei sparen können, aber Ulrike war immer nett zu ihm gewesen und er spürte, dass sie ein
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