Satans Eulen
aufsuchen?«
»Es bleibt keine andere Wahl. Wir können nicht beide gehen. Einer muß auf Deck bleiben, falls die anderen Strigen, die wir gesehen haben, angreifen.«
»Das ist natürlich wahr!« stöhnte Bill und fuhr mit seinen zehn Fingern durch das braune Haar. »Ich will nur hoffen, daß die Verwandlung nicht eingetreten ist.«
»Das kannst du laut sagen.«
Bill nickte mir zu, drehte sich um und verschwand. Die Treppe nahm er mit einem Schwung, dann war er meiner Sicht entschwunden. Ich ging wieder zurück auf die Brücke. Der Steuermann sammelte die Kleider des Kapitäns auf und verstaute sie in einer Konsole. Als er die Tür wieder zuschlug, knallte es laut. Nicht nur er, auch die anderen waren grünlich bleich im Gesicht, was allerdings nicht allein an der Beleuchtung lag, denn der Schreck war ihnen allen in die Knochen gefahren, das spürte ich sehr deutlich. Die Männer waren mit dem Grauen konfrontiert worden, mit einer anderen Welt, an die sie bisher nicht geglaubt hatten. Es war schwer für sie, damit fertig zu werden. Der Zweite Offizier stand vor der Scheibe und hielt sein Glas gegen die Augen. »Ich sehe keine weiteren Eulen«, sagte er und schaute weiterhin auf das dunkle Wasser.
»Sie halten sich im toten Winkel auf«, erklärte ich.
»Und wenn sie kommen?« fragte mich Gunnar Didea, wobei er sich mit zitternden Händen eine Zigarette anzündete.
»Werde ich versuchen, sie zu stoppen.«
»Mit den Silberkugeln.«
»Auch damit.«
»Verdammt, da ist was«, meldete der Zweite.
Sofort standen Didea und ich neben ihm und griffen nach zwei Ferngläsern, die wir gegen unsere Augen preßten. Ich mußte ein wenig an der Scharfeinstellung drehen, bis ich die klare Sicht besaß und schauen konnte.
Eulen sahen wir nicht, nur ein Boot, das Kurs auf uns hielt und über die glatte Wasserfläche tuckerte. Im Vergleich zu unserem Schiff wirkte es nahezu winzig, aber es schien sich den Liner als Ziel ausgesucht zu haben, denn es hielt streng auf uns zu.
»Die wollen bestimmt an Bord«, sagte der Zweite. »Lassen wir sie?« Die Frage war an den Ersten gerichtet.
Didea setzte das Glas ab, schaute mich an und fragte: »Was meinen Sie, Mr. Sinclair?«
»Was tun Sie denn im Normalfall?«
»Dann nehmen wir sie natürlich an Bord. Aber wir befinden uns in einer Extremsituation.«
Die Entscheidung war nicht einfach zu treffen. In Seenot befanden sie sich nicht, aber vielleicht waren sie auf der Flucht vor den Eulen, und ich mußte auch an die Tiere denken, die in Deckung der Schiffswand flogen. Falls sie bemerkt hatten, daß sich ein Schiff mit potentiellen Opfern näherte, würden sie bestimmt ohne Zögern angreifen.
»Sie würden sie an Bord nehmen, wenn sie wollen?« fragte mich der Erste.
»Ja.«
»Auf Ihre Verantwortung.«
»Und vorausgesetzt, daß sie es überhaupt möchten«, gab ich zurück.
»Natürlich.« Der Erste gab den Befehl, ein Fallreep nach unten zu lassen. Wir hatten gesehen, daß sich der kleine Kahn an unser Schiff heranschob.
Auf der Brücke hielt mich nichts mehr. Auch der Erste Offizier wollte mit. Verbieten konnte ich es ihm nicht, nur warnen.
»Wird schon klappen«, sagte er. »Außerdem sind Sie auch noch dabei.«
»Wie Sie meinen.«
Der breite Strahl eines Scheinwerfers schnitt eine helle Bahn in die Dunkelheit, wurde ein wenig geschwenkt und erfaßte auch das langsam näherkommende Boot. Die Menschen dort schauten in den grellen Strahl und winkten.
Für uns ein endgültiger Beweis, daß sie an Bord genommen werden wollten.
»Halten Sie Kurs auf das Fallreep!« ertönte eine Lautsprecherstimme. Der Steuermann des kleinen Bootes richtete sich danach. Er hatte insofern Glück, daß sich kaum eine Wellenbewegung auf dem Wasser abspielte, und bereits wenig später schabten die Bordwände der beiden Schiffe gegeneinander.
Wir hatten es natürlich nicht auf der Brücke ausgehalten und waren an die Reling gelaufen, wo zwei Matrosen standen. Sie hatten auch das Fallreep nach unten gelassen.
Ich schaute über die Bordwand, sah den hellen Lichtkreis, aber keine Eulen. Sie schienen der Helligkeit nicht zu trauen und hatten sich lieber verzogen.
Hoffentlich…
Auf dem Kahn machten sich drei Menschen bereit, über das Fallreep an Bord des Liners zu klettern. Ich erkannte einen Mann, eine Frau und ein Kind. Ihre Bewegungen wirkten fahrig. Der Mann sagte etwas zu seiner Frau, die daraufhin den Kopf schüttelte und auf das Kind deutete. Es sollte also zuerst hochklettern.
Das tat
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