Satans Eulen
schaffen es, Sonja, wir schaffen es. Gleich sind wir am Boot.«
»Weiter.« Lars drängte jetzt und schaute auch nach, ob vielleicht die Verfolger zu sehen waren.
Keine Eule ließ sich blicken. Sie schwebte weder über ihnen, noch hockte sie auf irgendeinem Zweig. Es schien so, als hätten die Strigen aufgegeben.
Daran wollten die beiden Erwachsenen nicht glauben. Zu oft waren sie in der letzten Zeit schon reingefallen. Jeder von ihnen hatte die gleiche Befürchtung, obwohl sie keiner auszusprechen wagte. Es konnte durchaus sein, daß die Eulen auch auf ihrem Boot saßen und dort die Beute erwarteten.
Das wäre fatal gewesen.
Lars machte wieder den Anfang. Der Weg war steil, und er mußte schräg gehen. Weiter vorn lief er fast normal weiter und verbreiterte sich auch, wobei rechts und links des Pfads dichtes Buschwerk wuchs, welches mit seinen Zweigen nach den Menschen zu greifen schien. Darum konnten und durften sich die Flüchtlinge nicht kümmern. Sie mußten weiter, wollten sie noch etwas erreichen. Eine letzte Kehre lag vor ihnen.
Als erster nahm sie Lars Strindberg. Er konnte bereits den Steg sehen, der sich wie ein dunkler, viereckiger Finger in das Wasser des Fjords schob.
Dort lag das Boot.
Sie hatten es vor drei Monaten gebraucht gekauft. Von einem Fischer, der sich zur Ruhe setzte. Es war kein komfortables Boot, aus Holz gebaut, aber mit einem Motor versehen und einer kleinen Kajüte, die drei Leuten Unterschlupf bot, wenn es das Wetter erforderte. Der Kahn war in Ordnung, denn in der vergangenen Woche erst hatte Lars nach dem langen Winter eine Probefahrt mit ihm durchgeführt. Nach menschlichem Ermessen durfte nichts schiefgehen.
Strindberg rannte nicht direkt auf sein Boot zu. Er blieb stehen und sondierte die Lage.
Nein, soviel er erkennen konnte, lauerten keine Strigen in der Nähe. Nicht auf dem Boot und auch nicht in dessen unmittelbarer Nähe. Der Maler konnte auf den Fjord schauen, der an beiden Seiten von hohen Felswänden umrahmt wurde, die hier, am Ende der Bucht, weiter in ein Hochplateau ausliefen, das tief bis in das Innere des Landes hineinstieß. Ungefähr zehn Kilometer betrug die Länge des Fjords, bevor er das offene Wasser erreichte. Der Maler hatte sich bereits einen Plan zurechtgelegt. Er wollte den Fjord durchfahren, ihn verlassen und dann an der Küste entlang weiterschippern, bis er eine Stelle entdeckte, wo er an Land gehen konnte.
Hoffentlich konnte er diesen Plan auch in die Tat umsetzen. Er drehte sich um und winkte seinen beiden Familienmitgliedern zu. »Kommt. Die Luft ist rein.«
Enna und Sonja beeilten sich noch mehr. Es war bewundernswert, wie tapfer sie sich hielten.
Hier am Wasser war es kälter. Der Wind fuhr durch den Fjord und in die Gesichter der Menschen. Hohl klang es unter ihren Füßen, als sie über den Steg liefen. Drei schattenhafte Gestalten, auf der Flucht vor Wesen, die es normalerweise nicht geben durfte.
Lars Strindberg sprang als erster in das Boot. Es schaukelte, als er Kontakt mit den Planken hatte. Er wollte noch seiner Frau und der Tochter an Bord helfen, Enna winkte ab. »Nein, das schaffe ich auch so. Kümmere du dich um den Außenborder.«
»Mach ich.« Der Maler verschwand in der Kajüte, die gleichzeitig der Steuerstand war und als Ruderhaus diente. Links von der Tür führten zwei Holztreppen in einen tiefer gelegenen Teil. Ein kleiner Tisch und eine Bank standen dort. Mehr Möbelstücke hätten nicht Platz gefunden. Enna und ihre Tochter fanden Lars in gebückter Haltung, als sie das kleine Ruderhaus betraten. Er hatte einen Teil der dünnen Holzverkleidung abgenommen und schaute nach dem Motor, wobei er an einem Ventil drehte.
»Klappt es?« fragte die Frau.
»Alles klar.« Lars erhob sich. Die Leine hatte Enna gelöst, einer Abfahrt stand nichts mehr im Wege. Sonja hatte auf einer Stuhlkante Platz genommen. Sie schaute aus großen Augen ihren Vater an, dem es endlich gelang, den Motor anzustellen. Er spotzte ein paarmal, wollte nicht so recht kommen, da er sehr kalt geworden war, lief aber schließlich rund, als etwa zehn Sekunden verstrichen waren. Die Schraube am Heck wühlte das Wasser zu schaumigen Streifen auf. Das Boot bekam Fahrt und stieß mit dem Bug in die weite, ruhige Wasserfläche des Fjords hinein.
Nicht nur die beiden Erwachsenen atmeten auf, sondern auch die kleine Sonja. »Jetzt passiert uns nichts mehr«, sagte sie.
»Nein, mein Kleines, bestimmt nicht«, bekam sie von ihrer Mutter zur Antwort.
Lars
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