Satanskuss (German Edition)
zu stoppen, schaffte er es, der holprigen Via Appia in die Stadt zu folgen, bis er schnaufend und keuchend zum Stehen kam.
Die Atmung des Mittvierzigers ging unregelmäßig und hektisch. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, unmöglich noch weit laufen; seine Kondition entsprach zu sehr seinem behäbigen und ausschweifenden Lebenswandel.
Er zitterte immer noch am ganzen Leib und verbrauchte entschieden zuviel Kraft damit, nicht laut mit den Zähnen zu klappern.
Schlagartig begriff Raffael, wo er war und für eine Sekunde überlegte er, ob er nach links gehen sollte. Einfach umkehren und so tun, als habe er in den Katakomben Mörder gefunden. – Du könntest den Sündenbock als echten Täter akzeptieren und dein eigenes Leben einfach weiterleben – bis zum Ende.
Raffael schüttelte den Kopf. Er hatte alle Menschen, die ihm nahe standen oder etwas bedeuteten in Gefahr gebracht. In den Aufmerksamkeitsradius der Hölle.
Er lächelte bitter, als er sich an Ariels Predigt für seine Seele erinnerte. Wenigstens einmal im Leben könnte er das richtige tun und kämpfen.
Er durfte nicht einfach weiterleben und hoffen, die Hölle würde ihn vergessen. Er musste Ariel warnen!
Raffael bog ab.
Als ihm die Lichtspiegelung eines Spiegels ins Auge fiel, zuckte er zurück. – Und benötigte nur Sekunden, um den Zusammenhang zwischen dem Spiegel und dem plötzlichen Erscheinen der schwarzvermummten Gestalt vollständig zu begreifen.
Bevor sein Verstand widersprechen und erklären konnte, dass so etwas unmöglich sei, dass Magie und verzauberte Spiegel nicht existierten, hatte sich sein Körper schon für eine Flucht entschieden.
Raffael wusste, dass er um sein Leben lief. Nicht einer der Verdächtigen oder der Männer, die er hatte schützen sollen, war entkommen.
Kurz fragte er sich, ob in der anderen Richtung, der Richtung des Verdrängens, auch ein Spiegel gewesen wäre. Dann wurde der Gedanke verdrängt von dringlicherem: Er musste Ariel warnen. Unauffällig warnen.
Gleichzeitig wusste er, dass es zu spät war.
Sie würde es sowieso nicht glauben. – Obwohl gerade sie es glauben müsste. Gott und Teufel. Engel und Dämon. Ein Teufel in Menschengestalt.
Sein Atem ging stoßweise. Trotzdem wehrte Raffael den Angreifer ab, als er von hinten gepackt und zurückgerissen wurde.
Der Spiegeldolch überraschte ihn nicht wirklich.
Mit verzweifelter Anstrengung gelang es ihm, sich der unmenschlichen Kraft seines Gegners zu entziehen. Der Stoß, der auf seinen Hals gezielt war, traf, aber nicht tief genug.
Blutend schleppte sich der Ermittler weiter. Presste eine Hand auf die Wunde und versuchte, den Blutverlust zu minimieren.
Die Verzweiflung, die beim Gedanken an seinen baldigen Tod in ihm aufstieg, war nicht mit der zu vergleichen, die er in den Katakomben empfunden hatte.
Es war zu spät für ihn, zu spät für Reue und Erlösung. Angst wallte in ihm hoch als er begriff, was Ariel ihm schon immer hatte klar machen wollen: Himmel und Hölle existierten.
Und er würde niemals dorthin gelangen, wo er sie irgendwann wieder sehen konnte. Niemals würde er sich an ihrem Anblick trösten können, niemals wieder ihre Worte hören oder sich mit ihr freuen.
Er wusste, dass er Ariel nicht verdiente, nie verdient hatte.
Bei dem Gedanken an seinen Verfolger wandelte sich seine Angst in Hoffnungslosigkeit. Er hatte sie nicht schützen können. – Im Gegenteil.
„Gott, bitte!“, flehte er stumm.
Er taumelte als seine Beine nachgaben. - Noch im Fall schloss er seine Hände zum Gebet.
„Ariel!“, bat Raffael leise.
Der fremde Mann kniete neben ihm nieder. „Was hast du gesagt?“
Raffael gab einen gurgelnden Laut von sich. Ein Engel! Mörder sollten nicht so aussehen! Ein gefallener Engel nicht wie ein Heiliger!
Niemals würde er das eine, geliebte Wort wiederholen.
Raffael fiel in das Blau der Augen seines Gegenübers. Ohne jeden Schutz sah er die Schmerzen, die Einsamkeit und die Leere in ihnen, bevor der Fremde sie schloss.
Der kurze Blick in die Hölle ließ Raffael wissen, dass er sich nicht geirrt hatte. Ein Dämon auf Erden.
Der Dämon beugte sich näher zu dem Verletzten.
Es schmerzte ihn, dass es soweit hatte kommen müssen.
Obwohl der Ermittler wahrlich kein guter Mensch war, empfand der ehemalige Engel so etwas wie Respekt.
Auch davor, dass Raffael die richtige – und tödliche – Entscheidung getroffen hatte.
Aber nun musste er wissen, was der Mann gesagt hatte, woran er dachte. Was
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