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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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Ist denn – so frage ich – etwas Böses dabei, wenn zwei Menschen, eine verzweifelte, verletzte junge Frau und ein vom Leben erschöpfter Mann, der gearbeitet hat wie ein Tier, gemeinsam ihr Glück finden, ohne schließlich jemanden zu kränken, denn warum sollte das für den niederträchtigen Ehemann eine Kränkung sein – eine solche wäre ja sogar eine gute Tat; aber ist diese Kröte denn überhaupt an irgendetwas interessiert außer dem eigenen Kramladen mit den goldenen Ringen? – oder für meine liebe, verständnisvolle Pepa, die sehr wohl begreift, dass das Bumsen nach fast vierzig Jahren nichts Normales mehr ist, sondern der reinste Inzest? Wer kann denn darin bei gesundem Menschenverstand – von alten, ausgehungerten Pfaffen mit verwelkten Pimmeln zu schweigen, bei denen stimmt ja nichts mehr – das Wirken des Teufels und nicht Gottes Fügung sehen?
    Und wie wunderbar kümmert sie sich um meinen Marianito! Wenn sie mit ihm zu uns kommt – wie lange kann man schließlich in diesem schimmeligen, bedrückenden Haus hocken –, sind wir vier wie eine neue Familie, wie die ersten Menschen nach der Sintflut, die die verwüstete Erde von neuem bevölkern: Einen Knirps hat sie an der Hand, der zweite hängt an ihrem Rockzipfel, ich male, sie bereitet mir eigenhändig Leckerbissen zu, Pepa sitzt in ihrem Zimmer und lässt uns in Ruhe. Kann man sich ein glücklicheres Alter vorstellen als den Anfang eines neuen Lebens?

Javier spricht
    Ich kann mich an wenig erinnern und sehe auch das wie durch einen Schleier, verschwommen: einzelne Szenen, Gesprächsfetzen. Was ich zuerst bemerkte, weiß ich gar nicht mehr: Mit welchem Neid und welcher Abneigung Gumersinda plötzlich über ihre gleichaltrige Cousine sprach, mit der sie als Kind so viele schöne Augenblicke erlebt und die sich bisher angeblich immer hervorragend um Marianito gekümmert hatte? Vaters Aufregung? Den Umstand, dass er plötzlich fast gar nicht mehr zu uns kam, und wenn, dann für eine halbe, höchstens eine Stunde, von der er die meiste Zeit mit Leocadia verbrachte, die er dann mit in die Calle de Valverde nahm, weil er, wie er sagte, sie dort dringend brauchte und sie sicherlich gern Pepa behilflich wäre? Oder vielleicht die Tatsache, dass Mutter noch stiller, noch grauer, noch unsichtbarer, dass sie zu einem Schatten ihrer selbst wurde – der starken, fruchtbaren, mit beiden Füßen auf dem Boden stehenden Frau von früher? Oder war es letztendlich die neue Selbstsicherheit, mit der Leocadia, bisher eingeschüchtert und ängstlich, mit einem Mal das Wort ergriff, gefragt oder ungefragt, zu jedem beliebigen Thema, oder vielleicht der erste Streit, bei dem sie einer starken Unterstützung gewiss sein konnte, oder die Tatsache, dass dieses zierliche, wenn auch etwas gedrungene Persönchen, gekrönt von üppigen, auf die Schultern fallenden Locken, das sich bislang eher in der Küche und im Kinderzimmer aufgehalten hatte, immer häufiger in den anderen Zimmern erschien, sich auf Sofas und Sesseln niederließ, anmutige Posen einnahm, genüsslich ein Büchlein in der Hand hielt, den Finger zwischen den ungelesenen Seiten, und dass man öfter sah, wie diese junge Frau sich herausputzte, als dass sie die Kinder hütete? Ich weiß nicht.
    Aber ich weiß, dass sie es war, die meine Mutter umgebracht hat.

Francisco spricht
    In diesem Alter sollte jeder von uns auf das vorbereitet sein, was der liebe Gott für uns vorgesehen hat. Das war Pepas Meinung. Sie suchte sich einen Platz auf Sankt Martín aus, wir machten gemeinsam ein Testament – und sie wurde begraben, wie sie es sich gewünscht hatte, in einer Terziarenkutte, ohne Pomp. Wer hätte auch an Pomp gedacht in solchen Zeiten – wer hätte überlegt, wie viele Kerzen und welcher Schmuck auf den Katafalk soll, wenn Wellington vor den Toren steht? Wir bestellten, wie es festgelegt war, zwanzig Messen für die Rettung ihrer Seele, außerdem gab es Geld für die Freikaufung von Gefangenen und barmherzige Zwecke im Heiligen Land. Wenn man mich fragt: zum Fenster rausgeschmissenes Geld, aber da ihr soviel daran lag, sollte sie das haben.
    Ein paar Tage später ging ich mit Javier zum Notar, zu Don Lopez de Salazar, und wir teilten das Vermögen auf. Alles, wie es sich gehört, mit einem Verzeichnis, jede Unterhose von mir wurde aufgelistet. Nun ja, meinetwegen. Dieser Blutegel hat mir die Hälfte weggesaugt, aber ich habe dafür gesorgt, dass er an den Sachen erstickt: Leuchter, Spiegel, die Zinnwanne,

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