Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
Haarsträhne, noch das kleinste Blitzen einer Diamantbrosche zu sehen war.
Nichts war imstande, ihn aus seiner Selbstzufriedenheit zu reißen. Er hatte seine Stellung als Hofmaler wiedererlangt, eine große Serie von Radierungen zum Stierkampf gemacht, Tag für Tag zeichnete er. Wenn er nicht zeichnete, dann ging er in den Garten und gab dem alten Felipe Befehle, der damals übrigens noch gar nicht so alt war, und dann ging er zu den Himbeersträuchern und den Artischocken, hob die Zweige hoch, herzte und küsste sie.
In die Rübe verliebt – ein Esel verbeugt sich vor dem Grünzeug.
Er war durch nichts und niemanden aus der Ruhe zu bringen. Irgendein Übereifriger beschuldigte ihn der Kollaboration mit den Franzosen, weil er auf Befehl von König Flasche geholfen hatte, aus den königlichen Sammlungen die wertvollsten Werke auszusuchen, die dann dem unersättlichen Knirps nach Paris geschickt wurden; es war ihm ein Leichtes, sich herauszureden, dass er außer ein paar Meisterwerken, die ohnehin von den Okkupanten bestimmt worden seien, nur den schlimmsten Kitsch aus den Kellern und Speichern geholt habe. Ein anderer denunzierte ihn, er habe von Pepe Botella die Aubergine erhalten – das hatte er, aber er trug sie nicht; er beschaffte einen Brief des Pfarrers, einige Zeugen, und es lief wie geschmiert. Irgendein Schreiberling kramte im Hauptdepot der beschlagnahmten Gegenstände Bilder heraus, die aus dem Palast von Godoy stammten, und lief zur Geheimkammer des Inquisitionsgerichts, der Sowieso habe eine nackte Frau gemalt – er sollte sogar vor das Tribunal berufen werden, aber nichts geschah. Es verlief im Sand. Schließlich hingen vier Bilder von ihm an dem Triumphbogen, durch den der König nach Madrid kam. Und obwohl der neue König ihn nicht ausstehen konnte, was auf Gegenseitigkeit beruhte, so floss das Gehalt des ersten Hofmalers doch ununterbrochen. Man verlangte nicht viel von ihm; zwar schluderte er ein gigantisches Gemälde von der Ratsversammlung der Philippinen hin, auf dem der Teppich und die Wand interessanter sind als die Gesichter des Königs und der Beamten; aber dauerhaft am Hof arbeitete ein anderer, ein anderer malte die langweiligen Feiern und die Minister in Fräcken, an denen man jeden Faden der goldenen Galonstreifen sieht. Klienten gab es ohnehin genug. Es kamen Engländer und Franzosen, die seine Bilder sehen wollten. Er blähte, blies und plusterte sich auf, ließ alte und neue Gemälde bringen und sparte nicht an Komplimenten für sich selbst. Kein gutes Wort, das er nicht über sich gesagt hätte.
Dieser ganze Reigen zog vor meinen Augen vorbei wie im Traum: Das Zimmer vor dem Atelier war zum Antichambre umfunktioniert worden, man sprach leise und andächtig. Als stünde an der Staffelei nicht ein alter Lüstling, verschwitzt und stocktaub, der auf eine junge Frau geil ist und ihr Kinder macht, sondern ein Erlöser, ein Magier, bei dem man sich Rat holt.
Er verstand es, sich die Bewunderung aller zu sichern, ausnahmslos. Kann man sich etwas Ekelhafteres vorstellen?
Francisco spricht
Madrid ist keine Stadt für einen alten Mann. Wenn du dir nicht auf dem löchrigen Pflaster den Fuß brichst, rutschst du auf dem Abfall aus; niemand macht hier sauber. Die Abtei des heiligen Antonius lässt nur Schweine frei laufen, die in Haufen von faulendem Müll wühlen oder, vom Rattern einer Kutsche verschreckt, blindlings durch die Gassen rennen und die Fußgänger umschmeißen. Im Sommer ist alles ausgedörrt, im Winter steht der Kot und Mist bis zu den Knöcheln. Aber es genügt, an den Manzanares zu fahren wie die großen Herren, und schon kann man frische Luft atmen, auf eine Wachtel oder einen Hasen schießen, und sei es aus dem Fenster des Salons, wenn sie nahe herankommen, um die Triebe des Lorbeers abzunagen. Der König persönlich, Karl IV., Gott hab ihn selig, sagte über mich: »Dieser Kleckser hat noch eine größere Leidenschaft fürs Jagen als ich!« So etwas verpflichtet.
Mein Marienkäferchen wird herumtollen, durch den Garten gehen, ihr Köpfchen in den Schatten legen können, nicht den Gestank und Staub der Stadt wird sie dort atmen, sondern den Duft von gemähtem Gras und reifenden Kirschen … Dass ich nicht früher daran gedacht habe, mich von der Stadt loszureißen und etwas Preiswertes, Bescheidenes außerhalb zu kaufen! Schließlich habe ich in diesem Alter das Recht auszuruhen und nur am Hof zu erscheinen, wenn ich wirklich gebraucht werde; der König muss ja nicht
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