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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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mach es, und Du merkst, wie wohl das tut; mach es jetzt, denn jetzt ist die Zeit der bösen Gedanken, Worte und Taten, jedenfalls laut Tante Lorenza, die mir das alles beigebracht hat. Ich gestehe, dass ich anfangs ängstlich und verwirrt war, aber jetzt? Also jetzt fürchte ich keine Hexen, Kobolde, Gespenster, Riesen, Blutsauger, kein räuberisches Gesindel etc … Ich fürchte auch keinen Körper mit Ausnahme des menschlichen, und der Deine ist es, den Dein Goya am meisten liebt.
    + … Ich tue das alles für Dich mit der Bereitwilligkeit, wie sie nur ein Freund dem anderen entgegenbringt, und ich weiß, mein Lieber, wir sind uns in allem gleich und Gott hat uns anders gemacht als die übrigen Menschen, wir wollen Ihm, dem alles möglich ist, dafür dankbar sein.
    Und nun adios, mein lieber Freund, mit Sehnsucht warte ich darauf, Dich in meine Arme schließen zu können. Dein dicker Paco.
    + Wenn ich nicht zufällig erfahren hätte, dass Ihr, mein Herr, Euch anschickt, nach Madrid zu reisen, dann hätte ich diesen Brief an Euch mit der gebührenden Achtung und Eleganz geschrieben. Da ich aber ohnehin jeden Respekt vor Euch verlieren werde, sobald Ihr hier ankommt, werde ich ohne Umschweife zur Sache kommen. Da dies für Euch eine Gelegenheit ist, Euch mit Freuden als dienstbar zu erweisen, befehle ich Euch hiermit sicherzustellen, dass der beiliegende Brief in die Hände der Person gelangt, an die er adressiert ist, und dass Ihr mich vom Vollzug in Kenntnis setzt. Dadurch werdet Ihr, mein Herr, mir wohlgefällig sein, und zugleich werde ich einem Freund einen Gefallen erweisen, der seinerseits mir tausend Gefälligkeiten erweist (und das ist beim ihm die Regel). Ach, Unsinn! Beeil Dich und komm. Schwanz in Hülle und Fülle! Wir müssen die Zungen in Gang setzen. Dixi.
    Rezept: Lanze, Petersilie, Arsch, Zoten, Schäfchen in Caramanchel, Farlete, Studentenumhänge. Und plötzlich – ein Kapaun.

Javier spricht
    »Tatsächlich«, sagte ich, »das sind Briefe von Vater. Das ist seine Schrift. Er hat immer ein Kreuz an den Anfang gestellt, so haben sie es in der Schule von San Antonio gelernt.«
    »Mein Onkel auch. Natürlich sind sie von ihm. Von wem sonst?« Der Mann rückte sich einen Stuhl an den Tisch, setzte sich, und seine ganze Lebhaftigkeit, die sich vorher Luft gemacht hatte, indem er mit den Füßen scharrte, hüpfte, das Gewicht von einem Bein aufs andere verlagerte, trippelte, musste sich jetzt auf die obere Körperhälfte beschränken, was bewirkte, dass er noch heftiger gestikulierte, mit schnellen, fahrigen Bewegungen. »Mein Onkel auch, die gleichen Kreuzchen. Schauen Sie, hier: Du Barbar , hier: Zigeuner meines Herzens . Und da: Ganz Dein Juanito der Hochzeiter alias der von den blauen Balkonen . Und es gibt noch schlimmere Stellen. Ich werde Ihnen alles zeigen, habe alles schon durchgesehen …«
    Er zog weitere Briefe heraus, betrachtete sie, legte sie hin und nahm sie wieder weg, klopfte mit der Fingerspitze auf die Blätter, dass das Holz des Tisches erklang. Ich fragte ihn, was er damit zu tun gedenke, wartete, bis er sich ausgezappelt und ein paar widersprüchliche Vorschläge gemacht hatte, und sagte dann: »Lassen Sie mich das in Ruhe überlegen. Ich hoffe, Sie können bis morgen hier am Manzanares bleiben. Ich würde ihnen ja anbieten zu übernachten, aber wie Sie sehen, wird das Haus gerade gestrichen. Ich habe gehört, dass es im Schwarzen Hahn ganz anständige Zimmer geben soll, und was das Essen betrifft, so schicke ich selbst manchmal Felipe dorthin, damit er mir eine Portion Chorizo in Rotwein bringt. Aber wenn dort kein Platz sein sollte, dann finden Sie sicher etwas in der Stadt.« Und ich begleitete das tänzelnde Männchen in den Flur und lenkte es von dort aus mit vorsichtig schubsenden Handbewegungen zur Tür, wie man einen flatternden Schmetterling lenkt, der mit den Flügeln an die Scheiben des angelehnten Fensters schlägt.
    Die Briefe lagen auf dem Küchentisch, wie wir sie zurückgelassen hatten: völlig durcheinander, die einen auf den anderen, rings um den Teller, um das Glas und die geflochtene Korbflasche, die Schüssel mit dem Rest vom Huhn. Ich sammelte sie sorgfältig ein, ließ Felipe den Tisch abräumen, ging mit dem Stapel in der Hand in den Saal im Obergeschoss und suchte nach Vaters Sekretär. Um an ihn heranzukommen, musste ich eine große Decke herunterziehen, dann vier Stühle und ein Tischchen wegschieben; endlich stellte ich einen der Stühle an den

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