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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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von hervorragenden Silberminen in Peru erfahren, ganz an der Oberfläche, man muss nur eine kleine Bahnlinie durch die Berge bauen. Außerdem habe ich im Moment zwei ältliche Granden im Auge, einen mit Spielschulden, einen anderen, der in einem halb zerfallenen Schloss dahinvegetiert, wo seine einzige Gesellschaft aus einem blinden Hund und einem lahmen Diener besteht; noch etwa drei Monate, und beide werden mir für ein paar Groschen ihre Titel verkaufen, für einen Bruchteil dessen, was mir Peru bringen wird. Und falls nicht, dann bleibt mir noch die Bahn in der aragonischen Provinz, da kann man mit Spekulationen kolossale Gewinne machen, die Bauern verkaufen ihr Land fast für umsonst, und die Bahn zahlt dafür ein Vermögen. Schließlich kann auch ein Schwiegersohn unseren Namen annehmen, der in ganz Spanien und über die Grenzen hinweg berühmt ist; auch wenn er ein fast fremder Mensch ist – seine Kinder, das heißt, meine Enkel, werden de Goyas von reinstem Blut sein.

Javier spricht
    Ich habe ihn mir in der Wiege angeschaut und dann, als er zu laufen begann. »Wohin willst du«, flüsterte ich ihm zu, oder ich sagte mir im Stillen: »Wohin willst du, Dummerchen? Willst du wirklich in diesen Sumpf, in diese Tretmühle, in der der Vater den Sohn vergiftet, der Sohn den Enkel, der Enkel den Urenkel, und jeder auf andere, immer raffiniertere Weise; willst du wirklich diese Leidenslinie fortführen?« Und bitte sehr – Diphtherie. Nicht dumm, der Junge.

XXXV
Javier spricht
    Und dennoch schmerzte mich dieser kleine Tod. Und steckte in mir, wenn ich aufwachte und wenn ich mich schlafen legte, in diesem unregelmäßigen Rhythmus von Arbeit, Essen, plötzlichem Einnicken und jähem Erwachen, wenn ich mich fühlte, als packte mich etwas an den Haaren und zöge mich zu den Farben und Pinseln; in jedem einzelnen dieser Augenblicke pulsierte dieser kleine Tod in meinem Körper wie ein eiternder Spreißel oder ein Kugelsplitter.
    Um Trauer ging es dabei nicht – ich hatte mich noch gar nicht an ihn gewöhnen können, und dass er als zweiten Vornamen den meinen trug, bedeutete mir nicht viel; es ging eher um das Bewusstsein, dass er sich vor all dem drückte, dass er entwischte, in den Tod platschte wie ein weißer Kiesel in schwarzes, stehendes Wasser; ich beneidete ihn einfach, weil ich selbst nicht darauf gekommen bin, als ich war wie er: klein wie eine Larve, rosig, sabbernd, blindlings die Finger bewegend, allem mit dem Blick folgend.
    Wieviel einfacher wäre mein Leben gewesen: ein paar Tage, Wochen, vielleicht Monate, der Arbeit der Därme gewidmet. Nicht einmal meine Familie hätte ich gekannt, wäre taub gewesen für die Worte meiner Angehörigen, und sie wären taub für mein Gebrabbel gewesen. Keine Ehefrauen, Väter, keine eigenen Kinder, keine Romanzen und keine Bilder, kein Besitzen, Kaufen und Verkaufen; ja – ein kurzlebiger Darm sein, der verdaut, verdaut und verreckt. Und mit mir wären auch Mariano und Marianito verschwunden und noch einige andere Menschen, die mein unbedachtes Am-Leben-Bleiben zum Auf-die-Welt-Kommen verurteilte.
    Ich malte, und während ich malte, beneidete ich ihn. Was wäre gewesen, dachte ich, wenn es mir so ergangen wäre wie ihm. Statt an der Wand zu stehen und mit breitem Pinsel Farbe aufzutragen, wäre ich damit beschäftigt gewesen, reglos in einem kleinen Sarg zu liegen. In meinem butterweichen Fleisch hätten Engerlinge gewimmelt, Taußendfüßler wären durch meine Augenhöhlen gekrochen, Asseln über meine feinen Knochen gelaufen. Niemand hätte sich darum gekümmert, wem ich ähnlich sei, ich hätte die Ähnlichkeit der Eltern und Großeltern nicht auf die Kinder und Enkel übertragen – wäre ich doch nur all den anderen sich zersetzenden Körpern ähnlich gewesen, allen meinen Brüdern und Schwestern: Antonio, Eusebio, Vincento, Francisco, Hermengilda, María de Pilar, die sich mit Bleiweiß überfressen haben wie mit giftigen Bonbons.
    Nicht, dass ich jeden Tag malen würde. Ich muss ja nicht davon leben. Ich habe auch freie Tage. Sie beginnen wie die arbeitsamen mit dem Aufstehen und enden mit dem Zu-Bett-Gehen. Kein Rumliegen im Nest, kein Starren auf die Wand. Ich habe schon genug auf Wände gestarrt – sowohl früher, damals, auf ein Stückchen abblätternden geweißten Putz über dem Ehebett des glücklichen Brautpaars Javier und Gumersinda, als auch jetzt, da ich mir aus der Nähe ansehe, was gleich unter der Farbe verschwinden wird: die glatten und rauhen

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