Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
sonst, aber sie schien auch nicht wütend zu sein. Distanziert, vorsichtig. »Hallo.« Sie setzte sich. Der Hund beschnupperte ihn und rollte sich dann unter dem Tisch zusammen. Valerie trug Jeans und ein violettes Strickjäckchen, an dem ein Knopf fehlte. Die braunen Locken fielen ihr auf die Schultern. Sie griff gleich nach der Speisekarte. Nach der Bestellung beschloss Beat, in die Offensive zu gehen. Er hatte sich diverse Einleitungen überlegt, obwohl er wusste, dass er, wenn es so weit war, dann doch improvisieren würde. Jetzt saß sie ihm so höflich und fremd gegenüber, das war einfach nicht auszuhalten.
»Valerie, ich habe Scheiße gebaut«, begann er ohne Umschweife, »aber ich will dich zurück. Ich will mit dir zusammen sein, ich liebe dich.«
Sie sagte nichts.
»Du willst das auch, sonst wärst du nicht gekommen«, behauptete er mutig.
Sie schaute ihm in die Augen. »Ich kann dir nicht mehr vertrauen.« Ihre Stimme klang kühl.
»Klar, aber das kommt wieder, das kann man flicken«, redete er drauflos. »In einem halben Jahr ist es bestimmt schon viel besser.«
Dreckskerl, dachte Valerie. Aber sie dachte es ohne rechte innere Überzeugung. Lina hatte ihr strenge Anweisungen gegeben. »Natürlich musst du ihn ein bisschen quälen, aber nicht zu sehr. Und zum Schluss versöhnst du dich mit ihm, verstanden?« Wollte sie sich denn mit Beat versöhnen? Hatten sie überhaupt Streit? Plötzlich kam ihr das Ganze so gegenstandslos vor, eigentlich hatte sich doch gar nichts verändert. Sie saßen sich beim Essen gegenüber wie schon oft und könnten sich jetzt doch einfach erzählen, was sie tagsüber erlebt hatten.
Das Essen kam und sie stocherten beide ein bisschen lustlos darin herum.
Warum sieht sie so traurig aus, dachte Beat, will sie wirklich nicht mehr? Er nestelte in seiner Jackentasche und zog einen Umschlag hervor.
»Hier, für dich«, sagte er und schob ihn Valerie zu.
Zögernd nahm sie ihn.
»Nur wenn du willst, natürlich«, rief er, »und wann du willst.«
Sie öffnete ihn. Es war eine Einladung zu einem Wochenende in den Bergen.
»Ich überlege es mir«, sagte sie. Und fügte hinzu: »Wenn du so etwas noch einmal machst, dann bringe ich dich um.«
Erleichterung breitete sich in Beat aus. Er hatte gesiegt. »Klar«, stimmte er eifrig zu. »Auf jeden Fall. Aber es wird nicht nötig sein.«
»Eines möchte ich noch wissen«, fuhr sie fort. »Weshalb warst du in dieser komischen Stimmung?«
Beat wand sich zuerst. Aber dann erzählte er ihr, dass er schon längere Zeit gedacht hatte, er würde gern mit ihr zusammenziehen, sich aber nicht zu fragen getraut hatte. »Ich habe mich irgendwie darauf fixiert«, gestand er. »Und dann trafen wir diesen Stucki, mit dem du ja zusammengelebt hattest. Und ihr verstandet euch gleich so gut. Ich dachte, das mit euch sei für dich vielleicht die wichtigere Geschichte als die Beziehung mit mir.«
»Das ist Unsinn«, meinte Valerie, »du hast dich da wirklich in etwas verrannt. Ich wohne gern allein und will daran bis auf Weiteres nichts ändern. Aber deshalb brauchst du mich nicht zu betrügen.« Nochmals stieg eine Zorneswelle in ihr hoch. »Noch einmal und ich ersteche dich.«
»Ich will nicht, dass du nach Hindelbank musst. Und du würdest so unüberlegt handeln, dass du garantiert überführt würdest. Auch wenn ich es nicht mehr tun könnte.« Er versuchte ein Grinsen.
»Wollen wir uns versöhnen?«, bat er.
»Aber heute gehe ich allein nach Hause«, antwortete sie.
Sie wechselten das Thema und redeten von unverfänglichen Dingen. Valerie blieb zurückhaltend und vorsichtig, manchmal traf ihn ein abschätzender Blick, als würde sie sich fragen: Ist es dir wirklich ernst? Dennoch fühlte Beat sich gut. Sie hatte ihm nicht den Laufpass gegeben. Alles würde wieder gut. Im Laufe des Abends wurde die Stimmung zwischen ihnen entspannter. Valerie aß ihren Fisch immerhin halb auf und ließ sich sogar dazu überreden, einen Löffel von Beats Dessert zu versuchen. Es war nicht allzu spät, als Beat die Rechnung verlangte.
»Ich begleite dich ein Stück, ja?«, schlug er vor.
Sie nickte gnädig.
Draußen legte er den Arm um ihre Schultern. Er spürte, dass sie sich versteifte, aber sie entzog sich ihm nicht. Sie gingen in Richtung Paradeplatz.
»Hier sind wir doch vor zehn Tagen durchgekommen, an dem Abend, als der Mord geschah«, bemerkte Valerie.
Ja, dachte er. Und wie anders war die Stimmung damals gewesen. Heiter, lebhaft, unbefangen.
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