Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
denken.«
»Wieso? Hast du ein schlechtes Gewissen?«
»Ich? Sicher nicht. Glaubst du denn, ich könnte es getan haben?«, fuhr Raffaela empört auf.
Carlo lachte. Sie war doch ein naives Ding. »Wenn Blicke töten könnten«, sagte er sarkastisch. »So, wie du sie manchmal angeschaut hast …«
»Stimmt«, gab Raffaela zu. »Sie war eine dumme Kuh. Aber Blicke können nicht töten. Ein Messer wars. Und du hast sie auch immer böse angeschaut.«
»Ich habe sie überhaupt nicht angesehen, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ«, präzisierte Carlo. »Nimmst du auch noch ein Bier?«
Raffaela nickte. Carlo wechselte das Thema. »Was wirst du tun, wenn deine Zeit bei uns abgelaufen ist?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich bin dauernd daran, Bewerbungen zu schreiben. Übermorgen kann ich mich bei einer kleinen Firma vorstellen gehen. Ich habe Jenny als Referenz angegeben. Hoffe, sie wird mich tüchtig anpreisen.«
»Na, du machst deine Sache nicht schlecht«, meinte Carlo gönnerhaft.
Raffaela ärgerte sich. »Das weißt du gar nicht, dich interessiert das ja überhaupt nicht. Dich interessiert nichts, was bei der Arbeit abläuft. Du willst nicht dazugehören, und in letzter Zeit schon gar nicht.«
In der Tat, dachte Carlo, ich habe andere Sorgen. Aber das ging die Kleine nichts an.
»Hey, Raffaela«, hörte er eine Stimme. Ein Mann kam auf sie zu. »Ewig nicht gesehen, wie gehts dir?«
»Hallo Bruno«, sagte Raffaela ohne Begeisterung. »Gut, alles bestens.«
Bruno lachte. »So siehst du aus.«
Ach, dachte sie, vielleicht ganz gut, dass jemand dazukommt, das war keine gute Idee, mit Carlo Bier trinken zu gehen. Sie wandte sich ihrem Ex-Freund zu. Carlo leerte sein Bier und nutzte die Gelegenheit, sich davonzumachen. »Bis morgen, ciao.«
Raffaela hatte nicht vor, sich Bruno anzuvertrauen. Sie unterhielten sich über gemeinsame Bekannte, über Clubs, in denen sie verkehrten. Bruno war aufmerksam zu ihr, bestellte ihr statt eines weiteren Biers ein Glas Prosecco. Raffaela fragte sich nicht, warum, sie liebte Prosecco. Er schlug vor, noch woanders hinzugehen, und sie ging mit. In der Sport-Bar bestellte er ihr noch ein Glas. Eigentlich ist er sehr nett, ging es Raffaela durch den Kopf. Und offenbar hat er jetzt Geld. Nach einem dritten Glas führte er sie in seine Wohnung.
»Hör mal«, begann er, als sie im Bett lagen, und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, »könntest du mir einen kleinen Gefallen tun?«
Raffaela schaute ihn an.
»Die Polizei interessiert sich dafür, wo ich am letzten Dienstagabend war.«
Am Dienstag letzter Woche? Raffaela war alarmiert. »Warum?«
»Ist doch nicht so wichtig, Baby. Habe ich dir schon gesagt, wie schön du bist?« Er küsste ihre Schulter. »Könntest du nicht sagen, du habest mich zu einer bestimmten Zeit irgendwo vorbeigehen sehen, das würde schon reichen.«
Sie richtete sich auf. »Du brauchst ein Alibi? Weswegen?«
So billig würde er also nicht davonkommen. Er erzählte ihr die Geschichte.
»Die Polizei glaubt, du habest Angela Legler erstochen?« Plötzlich begann Raffaela zu lachen. Es war zu absurd. Da hatte sie Bruno seit Jahren nicht gesehen, er lief ihr zufällig über den Weg – und sie waren in den gleichen Mordfall verwickelt. Nein, das konnte und wollte sie sich nicht leisten. Sie stieg aus dem Bett und begann, sich anzuziehen.
»Vergiss es, Bruno, danke für den Prosecco.«
»Was ist denn plötzlich los?«
»Ich werde der Polizei nicht sagen, dass du mich um ein Alibi gebeten hast. Aber so blöd wie früher bin ich nicht mehr. Dir gehe ich nicht mehr auf den Leim.« Sie fischte ihre Schuhe unter dem Bett hervor und schlüpfte hinein. Bruno fasste nach ihrer Schulter, aber sie schüttelte seine Hand ab.
»Nein, wenn du dich in irgendeinen Schlamassel hineingeritten hast, ist es dein Problem. Lass mich in Ruhe damit.«
Die Schlafzimmertür schlug zu und gleich darauf die Wohnungstür. Scheiße, dachte Bruno Trümpy. Früher war sie fügsamer. Er fummelte nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.
Raffaela trat auf die Straße. Ihr Kopf war wieder klar. Es ist immer das Gleiche mit dir, schalt sie sich. Ein bisschen Prosecco und du fällst auf irgendeinen Typen herein. Aber sie würde sich von Bruno in gar nichts hineinziehen lassen. Zum Glück kannte er ihre Handynummer nicht. Sie lenkte ihre Schritte in Richtung Ämtlerstraße. Mal sehen, ob der Berliner mir eine Nachricht geschickt hat, dachte sie, bereits
Weitere Kostenlose Bücher