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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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abkühlte, kannte viele Männer, die an ihr interessiert waren. Ihr Interesse konzentrierte sich auf Männer, die ihr auf lange Sicht im Berufsleben nützlich sein konnten und auf kurze Sicht im Bett brauchbar waren. Wenn sie sagten »Ich liebe dich«, nahm sie das als Kompliment, aber sie wußte, daß sie nicht »lieben« meinten und vor allem nicht »dich«. Sie kannten sie nicht.
    Jörgen hatte sie seit einem halben Jahr immer mal wieder getroffen. Sie fanden sich attraktiv, fühlten sich wohl, wenn sie zusammen waren, aber sie hatten sich keine Versprechen gegeben. Er war wie alle anderen. Bis zu diesem Moment, als sie am Sekretär der Mutter standen und ihr altes Schulfoto ansahen.
    Er hatte das Besondere an der vierzehnjährigen Yvonne gesehen. Er hatte gesehen, daß sie hübsch war. Ein Mädchen, in das man sich verlieben konnte. Er hatte ihr Genugtuung verschafft.
    In diesem Moment hatte sie beschlossen, ihn zu heiraten. Vier Monate später waren sie verheiratet.
    Sie paßten gut zusammen. Jörgens aufgeregtes, impulsives Temperament paßte gut zu ihrer strukturierten Ruhe. Sie interessierten sich beide nicht für Politik. Sie waren sich einig, daß die Karriere wichtig war, daß Waschbecken sauber sein mußten, ungeputzte Fenster jedoch okay waren, Sex zwei Mal pro Woche genug war, Zucker im Kaffee ein Greuel und Verwandtschaftsbesuche sich auf Weihnachten und runde Geburtstage beschränken sollten. Kinder wollten sie so schnell wie möglich, aber eines reichte.
    Sie stritten sich selten, und es hätte eine richtig gute Ehe werden können, allerdings gründete sie auf einer großen Lüge.
    Denn Yvonne war natürlich nie das hübsche, eingebildete Mädchen gewesen, das mit ihren Freundinnen auf dem Schulhof stand und sich einen Jungen aussuchen oder ihn fallenlassen konnte. Sie war eine stinkende Paria gewesen, die niemand, weder Mädchen noch Jungen, auch nur berühren wollte.

9
    In der dritten Klasse verliebte sie sich in einen Jungen, der Kennet hieß. Als sie bei einem Klassenfest »Russische Post« spielten, sah sie ihre Chance, mit ihm in einen Körperkontakt zu kommen. Entweder Handgeben, Umarmung, Streicheln und – im besten Fall – einen Kuß. Sie hielt die Luft an, als Kennet der Briefträger war, der vor der Tür stand und die Post bringen sollte. »Kuß«, rief er selbstbewußt, ein erwartungsvolles Gemurmel verbreitete sich im nicht sehr hell erleuchteten Zimmer. Jemand wanderte lange mit ausgestrecktem Finger umher: »Dem? Oder dem?« Als Kennet schließlich »ja« rief, zeigte der Finger auf Yvonne. Unterdrücktes Lachen.
    »Bist du sicher?« fragte das Mädchen, das mit dem Finger auf sie zeigte.
    »Ja«, kam Kennets selbstbewußte Stimme wieder von draußen.
    »Bist du ganz sicher, daß du die Post bei dieser Person abgeben willst?«
    »Ja, klar.«
    Die Tür wurde aufgemacht. Lachen. Mitleidiges Gemurmel. Der ausgestreckte Finger. Kennet starrte sie an, versuchte, umzukehren und wieder hinauszugehen, wurde aber festgehalten und zu ihr geschleppt.
    »Nein, verdammt, nein, verdammt«, protestierte er verzweifelt.
    »Laß ihn doch. Ich finde, er braucht es nicht zu machen«, sagte jemand.
    »Warum nicht? Er hat ›ja‹ gesagt. Er muß sich an die Spielregeln halten. Los jetzt, Kennet. Ihr mußt du die Post übergeben!«
    »Ich habe doch nicht gedacht, daß du auf sie zeigen würdest. Sie hat doch nicht mitgemacht.«
    Eine heftige Diskussion entstand. Manche blieben hart: die Spielregeln waren nun mal so, ein Ja blieb ein Ja. Andere waren etwas nachgiebiger:
    »Ja, schon, aber seid doch nicht so streng. Würdest du jemanden küssen wollen, der nach Pisse riecht? Wirklich?«
    Schließlich einigte man sich auf eine Ausnahme von den Regeln. Wenn man bei Yvonne landete, brauchte man nur die Hand zu geben, egal, was man vor der Tür gesagt hatte.
    Kennet versuchte, sich auch davor zu drücken, gab aber schließlich dem Gruppendruck nach, streckte widerwillig Yvonne seine Hand hin und berührte ganz leicht ihre Fingerspitzen. Das Gekicher steigerte sich zu einem Kreischen der Begeisterung, in die sich Ekel mischte.
    »Pfui Teufel«, sagte Kennet und wischte sich die Hand am Hosenbein ab.
    Näher als so ist sie einem ihrer Klassenkameraden nie gekommen.
    Sie machte ihnen eigentlich keine Vorwürfe. Es stimmte, sie roch nach Pisse. Zu Hause gab es nur selten Klopapier, ihre Unterhosen hatten immer eine unbestimmbare, braungelbe Farbe. Sie dachte, das wäre normal so. Sie wusch sich manchmal die

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