Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
Vom Netzwerk:
blickte suchend durch den Raum, vor einer Bühne mit Rednerpult waren Tische gedeckt. Viele Menschen bedienten sich schon am Büffet, und Yvonne entdeckte sofort Cillas kurze, rote Haare, die wie ein Stopplicht leuchteten, als sie sich von einem der Tische erhob und eifrig winkte. Eines der jungen Mädchen, die Schreibtische aufräumten, saß neben ihr.
    »Wir wollten beizeiten kommen, solange alles noch frisch ist«, sagte Cilla, als Yvonne sich gesetzt hatte.
    Sie hatten schon Frühstück geholt und freundlicherweise auch etwas für Yvonne mitgebracht. Cilla wußte inzwischen genau, was sie wollte: Kaffee mit Milch, Orangensaft und ein halbes Brötchen mit Schinken.
    Eine Frau hielt einen Vortrag, der von der Zeit nach einem Burn-out handelte. Yvonne versuchte zuzuhören, konnte sich aber kaum konzentrieren, weil sie die ganze Zeit daran dachte, was für ein Tag heute war: der Tag, an dem B. Ekberg erwartete, daß sie als Putzfrau bei ihm anfing. Sie stellte sich vor, was er wohl für Augen machen würde, wenn seine Wohnung genauso ungeputzt war wie am Morgen, als er sie verlassen hatte. Sie stellte sich seinen Ärger vor, wenn er im Telefonbuch nach Nora Brick suchte, die es nicht gab, und seine Unruhe, wenn ihm klar wurde, daß er seinen Schlüssel einer Fremden überlassen hatte, die irgendwer sein und alle möglichen Absichten haben konnte.
    Was würde er machen? Vermutlich würde ihm die Visitenkarte der früheren Arbeitgeberin, Yvonne Gärstrand, einfallen. Er würde sie suchen und im Büro anrufen. Falls Yvonne da war, wenn er anriefe, würde sie sagen, es müsse ein Mißverständnis sein, sie habe nie eine Putzfrau Nora Brick beschäftigt.
    Er würde seine Dummheit verfluchen, den Schlüssel so schnell hergegeben zu haben. Dann würde er vielleicht ein paar Tage warten, daß die geheimnisvolle Nora auftauchen würde. Hatte sie sich im Tag geirrt? Und jeden Abend würde er mit klopfendem Herzen die Haustür öffnen: Würde sein Haus geputzt, von Dieben ausgeräumt oder einfach nur ungeputzt und unberührt sein? Danach würde er einen Schlüsseldienst anrufen und das Schloß auswechseln lassen.
    Yvonne schämte sich und beschloß, einen Spaziergang an seinem Haus vorbei zu machen und den Schlüssel zusammen mit einem entschuldigenden Zettel in seinen Briefkasten zu legen. Sie könnte ja so tun, als habe sie eine andere Stelle gefunden.
    Sie sagte, daß sie etwas erledigen müsse, und trennte sich vor dem Hotel von ihren Kolleginnen, die zum Büro spazierten, während sie zum Parkhaus ging, wo sie das Auto abgestellt hatte.
    Sie parkte auf dem üblichen Platz am Rande des Vororts. Die Gärten waren noch voller Spätsommerpracht, die süßen, blumigen Düfte waren von säuerlichen Obstdüften abgelöst worden, und der Wind, der die Wolkenfetzen über den klarblauen Himmel jagte, war kühl. Merkwürdigerweise war es im Vorort immer ein bißchen kühler als in der Stadt, vermutlich erwärmten die großen Gebäude die Luft etwas mehr. Yvonne fror in ihrem dünnen Leinenjackett und erinnerte sich an die Tüte mit den Secondhand-Kleidern, die sie noch nicht in den Container geworfen hatte. Sie lag immer noch im Kofferraum. Sie holte den Mantel heraus, er war groß genug, sie konnte ihn über dem Jackett tragen.
    Mit raschen Schritten ging sie den wohlbekannten Weg zum Orchideenweg hinauf. In Zukunft würde sie den kleinen Abstecher bei ihrem Spaziergang meiden und geradewegs zum Akeleiweg gehen. Jetzt, wo sie das Haus Orchideenweg 9 von innen gesehen und den Besitzer kennengelernt hatte, hatte das Haus etwas von seiner Anziehungskraft verloren.
    Sie blieb vor dem Haus stehen und warf einen Blick zu den Fenstern hinauf. Im Tageslicht waren sie dunkel und so reflektierend, daß sie fast undurchsichtig aussahen. Sie hob den Briefkastendeckel an, um den Schlüssel und den Zettel, den sie geschrieben hatte, einzuwerfen: Bin leider verhindert, Ihr Angebot für eine Arbeit anzunehmen. Tut mir leid, wenn ich Ihnen Mühe gemacht habe. MfG Nora Brick. Aber sie hielt inne.
    Das peinliche Vorstellungsgespräch hatte ihr ja keineswegs das gebracht, was sie erhofft hatte. Was ihr hätte klar sein müssen. Man kann nicht gleichzeitig beobachten und beobachtet werden, nicht das Spiel anschauen, an dem man selbst teilnimmt.
    Aber jetzt war sie ja allein. Sie konnte hineingehen und sich in aller Ruhe die Zimmer anschauen. Und erst dann den Schlüssel in den Briefkasten werfen.
    Yvonne ging die Treppe zur Haustüre hoch, drückte den

Weitere Kostenlose Bücher