Saubere Verhältnisse
ihre Schuhe mitten auf der Fußmatte standen. Sie stolperte aus dem Schrank, machte das Licht aus und schloß ab. Auf halbem Weg die Treppe hinunter blieb sie stehen. Bernhard Ekberg stand in der Diele und zog seine Handschuhe aus.
»Wie schön, daß Sie schon da sind, Nora«, sagte er. »Ich bin früher nach Hause gefahren. Ich war heute morgen bei einem wichtigen Termin, jetzt kann ich den restlichen Tag zu Hause arbeiten.«
»Ich bin gerade gekommen«, murmelte Yvonne mit brennenden Wangen. »Ich bin nach oben gegangen, um mir einen Überblick zu verschaffen. Die Hemden. Ich dachte, vielleicht liegen sie hier oben.«
»Die Hemden?«
»Ich habe gedacht, ich soll Hemden bügeln.«
Ihre Notlüge, daß sie eine andere Arbeit gefunden hatte, schien ihr nicht mehr haltbar, seit er sie ertappt hatte, wie sie aus seinem Schlafzimmer kam.
»Mein Gott, ich habe sie noch nicht einmal gewaschen. Ich hatte so schrecklich viel zu tun übers Wochenende. Diesmal keine Hemden. Sie könnten vielleicht mit der Küche anfangen.«
Sie nickte verwirrt.
»Danke, nett von Ihnen, Nora.«
Yvonne bemerkte, daß sie immer noch wie festgefroren dastand, den einen Fuß halb auf der nächsten Treppenstufe und eine Hand auf dem Geländer. Mit der anderen hielt sie krampfhaft ihren Mantel zu, als ob er sie schützen könnte.
Dann löste sich die Lähmung, sie ging in die Küche hinunter, und obwohl sie immer noch in einer Art Schockzustand war, begann sie, Wasser ins Waschbecken laufen zu lassen. Durch das Rauschen des Wassers hörte sie, wie Bernhard Ekberg in die Küche geschlichen kam, und als sie einen Blick über die Schulter warf, sah sie, wie er den Zettel auf dem Küchentisch an sich nahm, ihn mit einer kurzen, raschen Handbewegung zerknüllte und ihn dann in die Tasche steckte, als ob er sich plötzlich dafür schämen würde.
»Da drüben gibt es eine Schürze. Ich sitze am Eßtisch und arbeite. Sie können mich fragen, wenn Sie etwas wissen möchten, ansonsten möchte ich nicht gestört werden«, rief er aus der Diele. Sein unpersönlicher, professioneller Tonfall machte den Eindruck, als wolle er etwas von der Autorität zurückerlangen, die er durch den reuevollen Zettel verloren hatte.
Yvonne zog den Mantel und das Leinenjackett aus, hängte sie über einen Stuhl und krempelte die Blusenärmel hoch. Auf einem Haken an der Innenseite der Tür fand sie eine Schürze und zog sie an. Das Spülmittel schäumte im Becken, sie versenkte ein Glas mit unverkennbarem Geruch nach Whisky. Sie wußte selbst nicht, wie es zugegangen war, aber sie hatte ihren Dienst als Haushaltshilfe bei Bernhard Ekberg angetreten.
Sie war auf merkwürdige Weise aufgekratzt und angespornt, wie nach einer Fahrt mit der Achterbahn. Das warme Spülwasser umschloß ihre Hände, der Schaum glänzte in allen Regenbogenfarben in der Sonne, und sie stellte fest, daß jeder Gegenstand, den sie spülte, ausgesprochen schön war. Jeder Löffel, jeder Topf und jedes Schälchen waren perfekt in Form und Funktion, mit Sorgfalt und Sinn für Ästhetik ausgewählt. Was angestoßen oder abgenutzt war, war auf patinierte und schöne Art angestoßen und abgenutzt. Wie die verblaßten Blumen in den Suppentellern oder die alte Servierplatte, deren Glasur gesprungen war, die Risse bildeten ein Muster, das an Wurzeln oder Blattnerven erinnerte. Einen Moment lang hatte sie ein fast mystisches Gefühl, in der wunderbarsten Küche zu stehen und die wunderbarsten Gegenstände zu spülen. Ein angenehmer, aber idiotischer Gedanke, den sie abzuschütteln versuchte.
Als sie fertig war, trocknete sie alle Flächen ab und wischte den Boden mit einem Mopp. Sie ging von Zimmer zu Zimmer, staubte ab und staubsaugte und bekam so einen guten Überblick über das Haus. Das Erdgeschoß bestand hauptsächlich aus dem großen Wohnzimmer, das in einen Eßbereich und einen Wohnbereich mit Sofa und Sesseln aufgeteilt war. Im ersten Stockwerk gab es außer dem Schlafzimmer zwei kleinere Zimmer, ein Bad und eine kleine Diele.
Sie stellte fest, daß das Haus leicht zu putzen war, klare Flächen und relativ wenig Gegenstände. Es war jedoch viel staubiger, als sie zunächst gedacht hatte. Abgesehen vom Chaos in der Küche hatten die Zimmer einen ordentlichen Eindruck gemacht, aber auf den Bilderrahmen lagen dicke Staubschichten, und als sie den Bettüberwurf im Schlafzimmer anhob, tanzten die Wollmäuse hervor. Hier war offenbar sehr lange nicht geputzt worden.
Bernhard Ekberg saß am Eßtisch
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