Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
Vom Netzwerk:
sie verreist?
    Sie ging wieder in die Diele, öffnete die Tür, von der sie vermutete, daß sie in den Keller führte, und ging die Treppe hinunter. Hinter einer schmalen Tür, die mit einem Holzklotz verschlossen war, fand sie einen Vorratskeller, der einer Hausfrau aus dem letzten Jahrhundert würdig gewesen wäre. Auf den mit Wachspapier ausgelegten Regalen drängten sich lange Reihen von Flaschen und Gläsern. Der Sonnenstrahl, der durch das kleine Fenster drang, ließ den Inhalt halb durchsichtig schimmern, die Farbskala reichte von Bernsteingelb über Kirschrot bis Rubinrot. Jedes Glas und jede Flasche hatte ein Etikett, das Inhalt und Datum angab. Die Handschrift war ordentlich und gerade und hatte keine Ähnlichkeit mit Bernhards Gekrakel. Die Daten unterschieden sich, aber kein Datum war jünger als vor zwei Jahren.
    Die Ehefrau war also nicht nur vorübergehend verreist. Bernhard Ekberg war geschieden. Oder vielleicht Witwer.
    Sie verließ den Vorratskeller, ohne etwas zu nehmen, und ging wieder hinauf. Die Unordnung in der Küche stand in scharfem Kontrast zu den säuberlich aufgestellten und etikettierten Gläsern, die sie gerade gesehen hatte. Sie ahnte einen möglichen Grund für die Scheidung. Einen Moment war sie in Versuchung, einen neuen Zettel zu schreiben:
     
    Lieber Bernhard!
    Hier haben Sie Ihren Schlüssel zurück. Ich verstehe, warum Ihre Frau Sie verlassen hat.
    In Eile
    Nora Brick
     
    Aber es konnte ja wirklich sein, daß die Frau gestorben war. Neugierig ging Yvonne weiter in den ersten Stock.
    Im Badezimmer glänzte Frau Ekberg durch Abwesenheit. Keine Schminke, kein Parfum. Nur eine Zahnbürste.
    Auf der Schwelle zum Schlafzimmer blieb sie respektvoll stehen und betrachtete diesen privatesten Teil der Wohnung, den Raum, in den man nie seine Gäste führt. Sie sah ein Doppelbett mit einem baumwollenen Überwurf, das Bett war tadellos gemacht. In eine Nische mit einem bleiverglasten Fenster war eine Sitzbank mit Kissen eingebaut. Die Einfassungen zeichneten Vierecke auf den zitronengelben Teppich. Unter der Dachschräge war eine Tür zu einem begehbaren Schrank.
    Es war ein geräumiges, gemütliches Zimmer. Die warmen Farben und die sparsame Möblierung vermittelten ein Gefühl von Sauberkeit. Ein Zimmer zum Aufwachen. In einen neuen, unbefleckten Tag.
    Yvonne mußte bei diesem Gedanken über ihren eigenen Tag nachdenken. Um sechs würde sie mit einem Kunden essen gehen. Davor mußte sie noch ins Büro und sich ein wenig vorbereiten. Sie würde nur noch rasch die anderen Zimmer anschauen. Dann würde sie abschließen, ihren Entschuldigungsbrief zusammen mit dem Schlüssel in den Briefkasten werfen und dieses Haus für immer verlassen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen wegen ihres Betrugs gehabt. Aber jetzt war sie ganz zufrieden. Sie stellte sich Bernhard Ekbergs Gesicht vor, wenn er den Schlüssel und den Zettel im Briefkasten fand. Er würde sich selbst an seinen Geschirrberg machen müssen.
    Gab es heute wirklich noch Männer, die völlig hilflos waren, wenn die Frau aus ihrem Leben verschwand? Wie würde Jörgen sich in so einer Situation verhalten? dachte Yvonne. Vermutlich würde er weiterhin sein Geschirr in die Spülmaschine stellen und seine Hemden bügeln, wie er es schon immer getan hatte. Was das betraf, würde sie keine Leere hinterlassen.
    Würde sich überhaupt etwas verändern? Sie sah vor sich, wie das Leben von Sohn und Mann in den gleichen Bahnen verlief. Mit Schule, Freunden und Computerspielen bei Simon. Mit Arbeit, Geliebten und Fitneßstudio bei Jörgen. Genau wie immer. Irgendwie ein beunruhigender Gedanke. Aber auch beruhigend. Dann fiel ihr Blick auf die Schranktür unter der Dachschräge. Einer Eingebung folgend ging sie rasch über den gelben Teppich, der sich unter ihren Strümpfen dicht und dick wie Moos anfühlte, öffnete die Tür und machte das Licht an.
    Vor ihr erstreckte sich eine lange Reihe aufgehängter Kleidungsstücke. Einige Herrenjacketts, Hemden und ein paar Anzüge. Dahinter hingen Röcke, Kostüme, Blusen, Kleider. Alles einfach und elegant, gut geschnitten und von bester Qualität. Bernhard Ekberg war also nicht geschieden.
    In diesem Moment hörte sie ein Geräusch aus dem unteren Stockwerk. Es klang, als ob die Haustür geöffnet und wieder geschlossen würde. Ihr erster Impuls war, im Schrank stehen zu bleiben. Sich verstecken, bis die Person da unten wieder ging. Aber dann fiel ihr ein, daß sie die Haustür nicht abgeschlossen hatte und

Weitere Kostenlose Bücher