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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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Studium des Besonderen überzugehen? Regelmäßige Besuche im Orchideenweg 9, ein, zwei Stunden pro Woche würden ihr eine neue Perspektive verschaffen. Es wäre kein Problem, montags nicht ins Büro zu gehen. Und sie hat noch nie etwas gegen das Putzen gehabt. Wenn es ihr nichts brachte, konnte sie ihre Studien jederzeit abbrechen. Sie brauchte nur den Schlüssel in den Briefkasten zu werfen und zu gehen.
    Eingehende Studien im Vorort! Kleine Blitze von Wollust zuckten bei diesem Gedanken durch ihre Nervenbahnen, was ihr äußerst sensibles Alarmsystem sofort registrierte.
    Ist der Vorort meine Art, vor dem Überdruß zu fliehen? dachte Yvonne. Genau wie Vivianne ihrem Überdruß mit Alkohol entflieht und Jörgen seinem mit Untreue und Körpertraining? Eine kleine Frist, ein Freiraum, der vor den langen Klauen des Überdrusses schützte?
    Aber der Überdruß ist listig wie ein Virus. Eines Tages verspürt man Überdruß auch gegenüber dem Freiraum. Man bekommt keine Kicks mehr. Man muß die Dosis steigern. Braucht härteren Stoff. Extreme. Perversionen.
    Sie wußte, wie sie sich gefühlt hatte, als sie in Ekbergs Küche gestanden und abgewaschen hatte. Sie erinnerte sich an die euphorische Gewißheit, sich in der besten aller Welten zu befinden. Genau das gleiche Gefühl hatte sie gehabt, als sie das erste Mal im Vorort war, die Birken hatten gerade ausgetrieben, und ein Igel hatte ihre Füße beschnüffelt. Dieses Gefühl hatte sie seither gejagt, aber nie wieder hatte sie es richtig erlebt. Bis letzten Montag.
    Und wenn schon? Und wenn es Gewöhnung und Dosissteigerung war? Sie würde doch nur ehrbare Haushaltsarbeit machen. Spülen, staubsaugen und Hemden bügeln. Mit offenen und aufnahmebereiten Sinnen. Im Vergleich zu Heroin und Bondage-Sex war es ziemlich harmlos.
    Und da faßte sie einen Entschluß: Schluß mit den Wanderungen durch den Phloxweg und die Hortensiengasse. Schluß mit dem Fenstergucken und Raten. Sie war fertig mit dem Äußeren. Jetzt würde sie ihr Instrument schärfen, es auf einen einzigen Punkt im Vorort richten und sich durch die Schale aus Ziegel und Verputz bohren.

II
E IN M ANN AUS Z UCKER

12
    Die Gärten hatten um diese Zeit etwas sehr Sinnliches. Sie waren zerzaust, aber gleichzeitig prächtig. Verblühtes, Vertrocknetes und Verfallenes vereinigte sich zu schwellenden Formen und intensiven Farben. Die Blätter der leuchtend rosa Rosen im Garten der Glücklichen Familie waren auf den Boden gefallen, und der lockere Badewannenschaum der Hortensie konnte jederzeit vom Wind davongeweht werden.
    Aber was interessierte das sie, Nora Brick? Durch dieses Viertel mit den herbstlichen Gärten ging ihr Weg zur Arbeit. Sie marschierte in den bequemen Schuhen – Modell Mokassin – den lose sitzenden Baumwollhosen, dem warmen Pulli und ihrem wunderbaren Mantel vorwärts. Ihre ungeschminkten Augen tränten im Wind, sie hielt den Mantelkragen mit ihrer ringlosen linken Hand zu. Wie kam sie her? Nein, nein, der weiße, fast neue Mazda, der im Weißdornweg parkte, gehörte nicht ihr. Wie sollte sie, eine Putzfrau, sich den leisten können? Sie kam mit dem Bus, war lang unterwegs, mußte dreimal umsteigen, bis sie von ihrer kleinen Einzimmerwohnung in einem entlegenen Vorort hier war.
    Man hatte ihr einen Schlüssel anvertraut, aber sie klingelte sicherheitshalber und wartete einen Moment, bevor sie das Haus betrat. Ihr Arbeitgeber arbeitete öfter zu Hause, und sie wollte ihn nicht überraschen.
    Aber jetzt war er nicht da, sie war allein im Haus.
    Dieses Mal war in der Küche kein Geschirr. Es war ordentlich und aufgeräumt. Auch keine Mitteilung, nur ein Umschlag mit ihrem Vornamen in Druckbuchstaben. Und darin: nicht soviel wie beim letzten Mal, aber doch ziemlich großzügig. Sie steckte den Umschlag gleich in die Manteltasche, damit sie ihn nicht wieder vergaß. Sie dachte nicht daran, ihn dazulassen, wie beim letzten Mal. Sie arbeitete hier und wollte natürlich ihren Lohn haben. Die Schürze hing am Haken der Küchentür. Nora zog sie an, holte den Staubsauger aus dem Putzschrank und suchte die Saugbürste. Sie würde nicht noch einmal mit einem Staubtuch herumwedeln, wenn es raffinierteres Arbeitsgerät gab. Ganz hinten auf einem Regal fand sie es, und außerdem eine Stoffdüse. Sie steckte beides in die Schürzentasche. Jetzt mußte sie nur noch die Staubsaugertüte kontrollieren. Wie sie vermutet hatte, war sie voll, aber da sie keine neue fand, mußte sie es bis zum nächsten Mal

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