Saubere Verhältnisse
und arbeitete. Er sah sehr konzentriert aus, hatte sogar Schweißperlen auf der Stirn. Er nickte kurz und aufmunternd, als sie mit dem Staubtuch zwischen seinen Papierstapeln durchfuhr.
Yvonne dachte über Frau Ekberg nach, und plötzlich wurde ihr klar, daß sie einem Vorurteil aufgesessen war: Haus ungeputzt = Hausfrau nicht da. Wieso in aller Welt kam sie zu diesem Schluß? Warum war sie nicht da? Sie war natürlich eine Frau mit einem Karrierejob, genau wie ihr Mann. Keiner von beiden hatte Zeit zu putzen, und deshalb delegierten sie die Arbeit. Cilla hatte eine bosnische Putzfrau. Viele Leute machten es so.
Yvonne selbst war gespalten. Die Überzeugung, daß man es selbst schaffen mußte und sich nicht helfen lassen durfte, saß tief. Sie hatte sich ja schon als Kind um den Haushalt und die Mutter kümmern müssen. Andererseits hatte diese Tüchtigkeit sie fast umgebracht. Und Teil der Philosophie von »Deine Zeit« war schließlich, daß jeder das tun sollte, was sie oder er gut konnte, und daß man Dienstleistungen kauft oder verkauft.
Als Yvonne fertig war, zog sie ihr Jackett und ihren Mantel wieder an, verabschiedete sich mit einem Blick ins Wohnzimmer und ging. Sie war schon am Gartentor, als sie hörte, wie Bernhard Ekberg sie rief.
»Nora!«
Sie drehte sich um. Er stand auf der Treppe und hielt etwas in die Höhe.
»Sie haben das hier vergessen.«
Den Umschlag mit dem Geld. Yvonne hatte nicht vorgehabt, es anzunehmen, aber jetzt mußte sie. Sie ging zurück und nahm den Umschlag entgegen.
»Ich sehe, daß Sie nichts von Helenas Eingemachtem genommen haben. Nehmen Sie es nächstes Mal. Es gibt so viel. Ich kann es gar nicht allein aufessen. Die Ingwerbirnen kann ich wirklich empfehlen.«
»Danke, ich werde dran denken.«
»Ich bin so froh, daß Sie die Stelle angenommen haben, Nora. Sie sind sehr tüchtig, das habe ich sofort gemerkt.«
Und als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, fügte er mit Angst in der Stimme hinzu:
»Sie kommen doch wieder? Nächsten Montag?«
Sie hatte immer noch den Schlüssel zu Bernhard Ekbergs Haus in der Tasche. Und er hatte aus einem unerklärlichen Grund den Schlüssel zu einem Mechanismus, der ihren Kopf überzeugend nicken und ihren Mund sagen ließ:
»Ja, sicher. Natürlich komme ich wieder.«
Wie hatte er den Schlüssel gefunden? Sie hatte geglaubt, ihn vor langer Zeit weggeworfen zu haben.
11
Yvonne war eine diskrete Beobachterin. Nur einmal hatte sich jemand gestört gefühlt. Und da hatte sie gar nicht die Menschen, sondern ihr Haus angeschaut.
Man konnte es fast nicht bleiben lassen. Niemand konnte an diesem Haus vorbeigehen, ohne zu schauen. Es war natürlich das lila Haus, wo das ordentliche Paar mit dem Zwergspaniel wohnte. Es war nicht irgendein Lila, sondern eine aufdringliche, ekelhafte Farbe, die vielleicht in provozierender Popkunst vorkam oder bestimmten Süßigkeiten, die jedoch unmöglich, ja geradezu unerträglich an einem Haus war.
Es passierte ein paar Tage nachdem Yvonne bei Bernhard Ekberg geputzt hatte. Als sie bei ihrem üblichen Rundgang im Vorort an dem Haus vorbeikam, warf sie einen Blick hinüber und schauderte. Vielleicht schaute sie ein wenig zu lange – wie wenn man an einem Unfall vorbeikommt und der Blick von dem Schrecklichen angezogen wird, das man eigentlich nicht sehen sollte – denn plötzlich streckte die Frau ihren Kopf hinter der Hecke hervor und fauchte:
»Was glotzen Sie denn? Haben Sie noch nie ein lila Haus gesehen? Oder finden Sie, daß alle Häuser grau angestrichen werden sollten? Einheitlich und gut, so hättet ihr das wohl gerne in diesem verfluchten Vorstadtghetto!«
Der Mann näherte sich mit einer Heckenschere in der Hand aus einem anderen Teil des Gartens, der kleine kläffende Hund sprang ihm um die Beine.
»Wolltest du nicht die Zweige aufsammeln, Vivianne? Der Korb steht da drüben«, sagte er und legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm.
Vivianne riß sich los und beugte sich fast der Länge lang über die Hecke, um nahe genug an Yvonne heranzukommen und vertraulich zu flüstern. Ihr Atem war schwer vom Alkohol.
»Schauen Sie nur! Bis Ihnen die Augen aus dem Kopf fallen! Ich weiß auch, daß ein lila Haus scheußlich aussieht. Aber jetzt ist es nun mal lila.«
»Es ist pensee«, sagte der Mann rasch und schaute Yvonne entschuldigend an.
»Wir wollten etwas Besonderes haben«, fuhr die Frau fort. »Etwas, das nicht alle haben. Wir wollten eine Farbe, die pensee heißt. Eine sehr schöne
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