Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
bemerkt, dass Ernährungstheoretiker fast jeder Couleur sich in einem Bereich einig sind: Wir stopfen schlicht zu viel in uns hinein.
Wir haben ein echtes Größenproblem. Und zwar nicht nur hinsichtlich unseres Taillenumfangs, sondern auch, was die durchschnittliche Portionsgröße betrifft. Die ist im letzten Jahrhundert in die Höhe geschossen wie ein Teenager in der Pubertät: 1916 enthielt eine Flasche Coca-Cola noch 200 Milliliter. Heute sind es 500 Milliliter. Ein Hamburger hatte damals durchschnittlich 300 Kalorien. Heutzutage sind Triple Whopperburger mit 1420 Kalorien im Angebot. (Merke: Bei normaler körperlicher Betätigung beläuft sich der durchschnittliche Kalorienbedarf eines erwachsenen Mannes auf 2500 Kalorien pro Tag .)
Also habe ich beschlossen, meine Ernährungsreform in zwei Teile zu untergliedern. Zunächst werde ich die Frage der Quantität angehen. Danach kommt die Qualität an die Reihe.
Weniger essen also – aber wie? Eine Möglichkeit sind appetitzügelnde Maßnahmen. Fundierten Studien zufolge senkt ein Glas Wasser vor den Mahlzeiten die durchschnittliche Kalorienaufnahme. Dasselbe gilt für Cayennepfeffer. Und für einen Apfel. Und für eine Handvoll Walnüsse. Weshalb mein Frühstück heute Morgen aus genau diesen Zutaten besteht: Cayennepfeffer, Wasser, ein Apfel und Walnüsse.
Kein Hunger mehr! Und das bestimmt für die nächsten Tage! Oder wenigstens so lange, bis ich unbedingt wieder eine Kleinigkeit essen muss. Also voraussichtlich spätestens gegen zehn Uhr.
So, wie die Dinge liegen, benötige ich professionellen Beistand. Also fahren Julie und ich eines schönen Sonntags zu einem abgelegenen Haus in den Hügeln von Westchester.
Dort befindet sich das Hauptquartier des Calorie Restriction Movement ( CR ). Vielleicht haben Sie schon davon gehört. Die Kalorienbeschränkungsbewegung ist die extremste Form der Ernährung diesseits von Essstörungen und Hungerfolter.
Die dazugehörige Theorie besagt, dass man durch radikales Hungern seine Lebenserwartung steigern kann. Wer mit 30 Prozent weniger Tageskalorien auskommt – also als Durchschnittsmann etwa mit 1750 anstatt mit den üblichen 2500 Kalorien –, der verlangsamt seinen Stoffwechsel und wird nicht mehr krank. Auf diese Weise kann man locker 100, wenn nicht 120 Jahre oder älter werden.
Wirklichkeitsfremd ist diese Theorie nicht, eher im Gegenteil: Inzwischen gibt es eine ganze Reihe wissenschaftlicher Belege dafür, allen voran die Ergebnisse einer Studie der Cornell University von 1934. Damals gelang es Forschern, die Lebenserwartung von Mäusen durch eine ausgesprochen kalorienarme Ernährung zu verdoppeln. Versuche mit Würmern, Spinnen und Affen erzielten ähnliche Ergebnisse.
Die Wissenschaft hat noch nicht herausgefunden, warum die Kalorienbeschränkung zu einer Erhöhung des Lebensalters führt. Eine These lautet, der Organismus der ausgehungerten Tiere produziere weniger zellschädigende freie Radikale. Einer anderen Theorie zufolge registriert der Körper den drohenden Hungertod und verlangsamt als Verteidigungsmaßnahme den Stoffwechsel.
Funktioniert das beim Menschen auch? Inzwischen sind einige Studien in Arbeit, doch konkrete Ergebnisse liegen noch nicht vor. Allerdings hat allein die Aussicht auf ein längeres Leben der Kalorienbeschränkungsbewegung Tausende Anhänger eingebracht. Das, was sie zu sich nehmen, wird auf digitalen Waagen abgemessen und jede einzelne kostbare Kalorie in Tabellen erfasst. Die Kalorienzähler beschränken sich auf zwei Mahlzeiten pro Tag und behandeln ihren Mund so ähnlich wie einen exklusiven New Yorker VIP -Club: Nur die allerbesten Bissen werden eingelassen.
Das Hauptquartier der CR liegt hoch oben auf einem steilen Berg und ist nur über eine Reihe waghalsiger Kehren zu erreichen, die Julie an den Rand des Nervenzusammenbruchs treiben: »Wenn diese Leute wirklich ewig leben wollen, sollten sie zuallererst einmal in eine flachere Gegend ziehen!« Sie setzt mich ab und fährt weiter zu Freunden. Ich kann ihr dann ja später alles erzählen, meint sie.
Auf mein Klingeln öffnet ein Mann die Tür. Er ist Paul McGlothin, Forschungsdirektor der gemeinnützigen Calorie Restriction Society und Co-Autor des Ratgebers The CR Way: Using the Secrets of Calorie Restriction for a Longer, Healthier Life .
Er ist dünn. Aber nicht so kriegsgefangenendünn, wie ich es erwartet hatte. Eher Leadsänger-einer-Emo-Band-mäßig dünn.
»Herzlich willkommen«, sagt er. »Möchten Sie
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