Sauhaxn: Kriminalroman (German Edition)
zeigte mit dem Finger auf Johann. Doch weder Johann noch
Elena kamen zu einer Antwort. Das Schwein, das wild auf dem Hof hin und herjagte,
hatte das offen stehende Tor entdeckt und sauste direkt darauf zu.
»Naaaaa!«,
rief der Bauer.
»Nein!«,
rief auch Elena.
»Du meine
Güte«, keuchte Johann. Das Schwein wetzte durch das Tor hindurch geradewegs auf
ihn zu. Heute war nicht sein Tag. Heute war ganz und gar nicht sein Tag, schoss
es Johann durch den Kopf. Das Tier funkelte ihn böswillig aus seinen kleinen Äuglein
an. Vielleicht bildete er es sich nur ein, aber das Schwein senkte wie ein Stier
den Kopf und Johann wusste, die Sau hatte es auf ihn abgesehen. Mit einem beherzten
Sprung warf er sich zurück in den Graben und das Schwein galoppierte über die Straße
und in den Wald.
»Elfriede!«,
heulte der Bauer auf. »Elfriede!«
»Du verschwindest
besser«, flüsterte Elena.
»Was …?«
»Hau einfach
ab«, sagte Elena und lächelte ihn dabei kurz an. Johanns Knie wurden ganz weich.
»Heast,
wenn i dich erwisch, Bürschle!«, schimpfte der Bauer und Johann wurde klar, weshalb
Elena ihn wegschicken wollte. Wie das Schwein hatte es der Bauer auf ihn abgesehen.
Und so wie die Augen des Schweins glitzerten auch seine ebenfalls bösartig und heimtückisch,
als er auf Johann zurannte.
Die inzwischen
dritte Bedrohung von Leib und Leben an diesem Tag gab den Ausschlag und Johann schwang
sich auf sein Rad. Trotz der vorigen Anstrengung mit Elena auf dem Gepäckträger
und einer daraus resultierenden körperlichen Müdigkeit brachte er so schnell wie
nie zuvor den Weg bis zur Ortsgrenze hinter sich. In sicherer Entfernung vom Bauernhof
stieg er ab und schüttelte seine zittrigen Beine aus.
Zu Hause
duschte er erst einmal und versuchte, sein klopfendes Herz unter Kontrolle zu bringen.
Ein Überfall im Schlosshotel, unter Mordverdacht gestanden, von einem Bauern und
seinem Schwein vom Hof gejagt worden und das Wichtigste: die Frau seines Lebens
getroffen. Was für ein Tag. In melodramatische Gedanken versunken, seufzte Johann
laut auf. Er wusste, dass Elena etwas ganz Besonderes war. Es war das Schicksal,
das sie ausgerechnet an einem solchen Tag zusammengeführt hatte. Die Kleinigkeit,
die ihrer Liebe im Weg stand, der Bauer, würde sich hoffentlich auf die eine oder
andere Art und Weise erledigen.
*
Wie gut, dass dieser Trottel von
Seligmann sich selbst erledigt hatte, dachte Karl Bachmaier. Er war im dunklen Schlafzimmer
erwacht und fühlte sich etwas ausgeruhter. Seine Kopfschmerzen waren zwar nicht
verschwunden und in seinem Arm pochte es leicht, aber die Tatsache, dass Seligmann
sich erschossen hatte, war ein gewisser Trost. Karl ging hinunter in die Küche,
wärmte das Abendessen auf und warf es nach ein paar Bissen in den Müll. Das Ergebnis
von Amalies Kocherei war schon immer widerlich gewesen. Oft genug hatte er ihr das
gesagt, aber ihre schnippische Antwort war jedes Mal: »Mach’s dir doch selber!«
Dieselbe Antwort bekam er im Übrigen, wenn er sich nachts auf ihre Betthälfte hinüberrollte.
Nicht, dass er Amalie auch nur ansatzweise attraktiv gefunden hätte, nein, das war
seit 20 Jahren vorbei, aber ein Mann hatte schließlich Bedürfnisse.
Das erinnerte
Karl daran, dass es sein rechter Arm war, der in einer Schlinge hing, und seine
Laune sackte dramatisch ab. Missmutig stieg er die Treppe zum obersten Stock hinauf,
um sich auf seine Verabredung vorzubereiten. Dieser Hirtentaler würde einiges von
ihm zu hören kriegen. Von wegen ›erste Sahne‹. Seine Kunden hatten allesamt eine
Menge Symptome gezeigt, aber weder ein Kokainhigh noch Sucht waren darunter gewesen.
Karl klappte
die Leiter aus der Luke und kletterte auf den Dachboden. Hinter Amalies Fotoalben
von Hochzeiten, Geburtstagen und Taufen bewahrte er sein Geld auf. 250.000 Euro
hatte er bereits zusammengespart. Das Drogengeschäft lief nicht schlecht. In den
letzten Monaten hatte er sich zusätzlich auf verbilligtes Fleisch spezialisiert.
Etwas schärfer angebraten und seine verfressenen Gäste merkten nichts. Das war auch
der Grund, warum er sich mit dem Idioten Erich Hirtentaler abgab. Von Erich bekam
er beides geliefert. Je weniger Leute von seinen Aktivitäten wussten, desto geringer
das Risiko, dass er aufflog. Deshalb stand er auch vor einem Rätsel, was Seligmann
anging. Wie hatte der Dicke von Karls Geschäften Wind bekommen? Niemand außer Karls
Kunden wusste von seinem kleinen Nebeneinkommen und die würden sich
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