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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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ins
Haus, um zu packen.
    Fanni, ihr Mann und Leni wollten über ein verlängertes Wochenende zu
Vera, dem jüngsten Kind der Rots, ins Rheinische fahren. Vera hatte die ganze
Familie zur Feier ihres sechsundzwanzigsten Geburtstages eingeladen. Fanni
fragte sich manchmal, ob Vera auch nur ein einziges Gen von ihr geerbt hatte.
Die ebenmäßige Nase vielleicht, die hatten alle ihre Kinder. Ansonsten kam Vera
ganz nach Hans Rot, ihrem Vater. Veras Beine zeigten sich proportional zu ihrem
Rumpf als zu kurz, als Ausgleich dafür schienen ihre Arme länger zu sein als
nötig. Sie setzte um die Taille bereits Fett an, liebte Grillpartys und Small
Talk. Sie fürchtete sämtliche Bücher, die Fanni, Leni und Leo angesammelt
hatten.
    Nach der mittleren Reife hatte Vera jede Form von Weiterbildung
verweigert und unter dem Beifall von Hans Rot eine Lehrstelle bei der Sparkasse
angenommen. Hinter dem Schalter verliebte sie sich in einen der Ressortleiter
und heiratete ihn auf der Stelle. Kurz darauf zog das Paar in ein winziges Kaff
am Rhein, wo Veras Mann das Haus seiner Großeltern erbte und einen Posten als
Filialleiter bekam. Inzwischen belebten zwei Kleinkinder die Szene, und Vera
versäumte keine Gelegenheit, ihre Eltern und Geschwister einzuladen. Auf Fanni
wartete bei Vera ein Berg Bügelwäsche, auf Fannis Mann eine wuchernde Hecke,
und auf Leo und Leni warteten Nichte und Neffe.
    Ein Koffer voll Kleidung und zwei Kisten mit Feinkost für
Veras Geburtstagsfeier standen bereit. Der Brokkoliauflauf köchelte in der
Röhre. Es ging auf sechs Uhr zu, als Fannis Mann vom Büro nach Hause kam. Leni
war noch nicht von ihrem Ausflug zurück.
    Beim Essen erzählte Fanni ihrem Mann, dass Leni gegen halb zwölf mit
Thomas Zacher im Jaguar davongefahren sei. Hans Rot hatte nichts davon
mitbekommen, weil er seine Mittagspause an diesem Tag dazu nutzte, auf dem
VdK-Frühlingsfest eine Runde zu drehen und im Festzelt kurz einzukehren.
Grillhendl schmeckte ihm halt besser als Brokkoli und Co.
    Er grinste anzüglich. Fanni schluckte ihren Missmut und begann sich
langsam vorzutasten. »Der Vater vom Thomas betreibt eine Autoreparaturwerkstatt,
sagt Leni, kennst du ihn?«
    Hans Rot nickte. »Den Zacher Frieder in Regen kennt doch jeder.
Außer Fanni Rot natürlich«, setzte er hinzu und schob angewidert ein
Brokkoliröschen an den Tellerrand. Fanni fischte nach den Schinkenstücken in der
Auflaufform, sammelte sie auf einem großen Löffel und ließ die gesamte Ausbeute
auf seinen Teller gleiten.
    Hans Rot geruhte weiterzusprechen. »Hat sich dumm und dämlich
verdient, der Zacher, als die Kaserne in Regen jedes Jahr noch voller Rekruten
gewesen ist. Alle haben ihre Schrottkisten bei ihm reparieren lassen. Er hat
ein Ersatzteillager gehabt, größer als die Klein-Wiese.«
    Hans Rot sortierte akribisch Brokkoli aus, und dann sagte er:
»Obwohl der Zacher Ende der Achtziger unter Mordverdacht geraten ist, lief sein
Geschäft tadellos weiter, bis die Bundeswehr mit den Einsparungen anfing.«
    Fanni starrte ihren Mann entgeistert an. Er fragte: »Nie was von
Anna Boschke gehört?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Klar, sagte er, »mein Fannilein schaut sich jede ›Tatort‹-Folge
zweimal an, aber was vor ihrer Nase passiert, bekommt sie nicht mit.«
    Ende der Achtziger, dachte Fanni, da hatte ich dich, drei
Schulkinder und Opa zu versorgen. Mitteilungen für mich waren auf Impftermine
und Elternversammlungen reduziert.
    Sie wartete, und ihr Mann bequemte sich zu erzählen. »Ein Busfahrer
von der Frühschicht hat Anna gefunden. Sie war siebzehn und lag mausetot
unterhalb einer Böschung an der B85. Neben ihrer Leiche
haben Polizisten die Schneestange entdeckt, mit der man sie erschlagen hatte.
Es war eine von diesen Holzstangen, die im Winter den Straßenrand markieren«,
fügte er erklärend an und seufzte. »Die anschließenden Ermittlungen haben dem
Polizeiapparat wieder mal ein Armutszeugnis ausgestellt. Anna hatte
Kopfverletzungen, Würgemale, eine Menge Abschürfungen, sie war sexuell
missbraucht worden, und Blutspuren gab es noch und noch. Annas Sachen,
Handtasche, Mantel, Wäsche lagen um sie herum verstreut. Alles, was der Kripo
dazu einfiel, war, dass es vor dem Mord zu einem handgreiflichen Streit
zwischen Täter und Opfer gekommen sein musste.«
    Er lachte abfällig und öffnete die zweite Flasche Bier. »Um ihre
Unfähigkeit zu bemänteln, hat die Polizei angefangen, wie wild zu ermitteln.
Zwanzig Beamte von der KPI sind ‘87
im

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