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Saure Milch (German Edition)

Saure Milch (German Edition)

Titel: Saure Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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ganzen Landkreis Regen herumgewuselt und haben genau das herausgefunden, was
alle Einheimischen längst wussten: Anna Boschke war ein Flittchen. Jeder
Kneipenwirt kannte sie, schier jeder Stammgast hatte sie schon mal
abgeschleppt. Treffer, freuten sich die Kriminaler, weil sie mit einem Schlag
einen Haufen Verdächtige hatten. Jetzt mussten sie nur noch herauskriegen, in
welcher Kneipe Anna an ihrem letzten Abend gewesen war – und Zugriff.
Kinderspiel, meinten sie und lachten sich schon ins Fäustchen. Es war auch gar
nicht schwer zu erfahren, dass Anna in der Nacht vor ihrem Tod im
›Gänseblümchen‹ herumhockte – bis drei Uhr früh. Der Wirt wurde bis zum
Umfallen verhört, dann kamen die Gäste dran. Einer von ihnen war Frieder
Zacher.«
    Fannis Mann nahm einen großen Schluck Bier und feixte: »Ist ziemlich
eng geworden für den Frieder. Er hat sogar ein paar Tage in U-Haft gesessen.
Dort hat er zugegeben, dass er hie und da mit Anna auf der Stube gewesen war.
Aber nicht in dieser Nacht, hat er steif und fest behauptet. Sie mussten ihn am
Ende laufen lassen, weil ihn seine Frau mit einem Alibi versorgt hat. Ende der
Geschichte.«
    »Wie?«, fragte Fanni verdattert. »Der Mörder wurde nicht gefunden?«
    »Damals nicht«, antwortete ihr Mann. »Der Fall Anna Boschke wurde ‘88 ad acta gelegt.«
    »Und später?«, half Fanni nach.
    »Später sind sie ja dann auf den Dreh mit den DNA -Tests gekommen. Plötzlich hatte einer die Idee,
dass man damit im Fall Anna noch mal ansetzen könnte. Und prompt ist eine SoKo
gegründet worden, 2002 glaub ich, war das.
Nichts davon mitbekommen?«
    Fanni erinnerte sich vage an eine etliche Jahre zurückliegende
Aktion der Polizei im Landkreis Regen. Hunderte von Speichelproben waren damals
gesammelt und verglichen worden – womit? Sie fragte nach.
    »Der Rechtsmediziner, der Anna in den Achtzigern auf dem Tisch
hatte, war ein kluger Kopf«, antwortete ihr Mann. »Er hat unter ihren
Fingernägeln Hautfetzen gefunden, und die hat er eingefroren. 2002 hat man das Zeug dann aufgetaut und eine
fremde DNA darin entdeckt. Frieder Zacher,
jetzt geht’s dir an den Kragen, haben alle gedacht. Aber seine DNA war es nicht. Der Wirt vom ›Gänseblümchen‹ und die
anderen Gäste wurden auch entlastet. Den Kriminalern war schon ziemlich mulmig.
Da hat der Staatsanwalt einen Massengentest durchführen lassen. Monatelang
nichts. Ein Haufen Geld verpulvert und wieder Sense. Als schon niemand mehr
damit gerechnet hat, ist er ihnen ins Netz gegangen. Ein Glasbläser aus
Frauenau hatte Anna umgebracht. Er hat später gestanden, dass er Anna aus dem
›Gänseblümchen‹ hatte kommen sehen, dass er ihr angeboten hat, sie nach Hause
zu fahren, und dabei zudringlich geworden ist. Er hat sie bedrängt, sie hat
sich gewehrt. Er hat nicht nachgegeben, sie ist aus dem Auto gesprungen. Er hat
sie verfolgt, sie hat ihn gebissen und gekratzt. Da hat er sie mit einer
Schneestange erschlagen, peng.«
    Frieder Zacher ist also rehabilitiert, dachte Fanni, er hat keinen
Mord begangen. Weiß ist seine Weste trotzdem nicht.
    »Seltsam«, riss Hans Rot sie aus ihren Gedanken, »kaum war es amtlich,
dass Frieder mit dem Mord an Anna nichts zu tun hatte, ist es mit seinem
Geschäft abwärts gegangen. Die Kaserne ist geschrumpft, seine Frau hat die
Scheidung eingereicht und sich ihren Anteil auszahlen lassen, und der
Steuerprüfer hat sich in seinem Büro häuslich eingerichtet. Eine Zeit lang
musste Frieder ganz schön strampeln. Aber seit er Autos nach Osteuropa
verschiebt, steht er wieder ganz gut da.«
    Fanni wollte eben auf den Jaguar zu sprechen kommen, da bog der
Schlitten in die Zufahrt. Hans Rot ging hinaus, um seine Tochter zu begrüßen
und mit Thomas Zacher ein Schwätzchen zu halten.
    Fanni blieb am Tisch sitzen und sinnierte über die Beziehung
zwischen Leni und Thomas nach. Nichts wies darauf hin, dass mehr
dahintersteckte als eine lockere Freundschaft. Thomas war noch nie über Nacht
im Haus der Rots geblieben, und in Lenis Vokabular kam sein Name weit seltener
vor als der Ausdruck DNA oder das Wort »Bandenmuster«.
Trotzdem. Vielleicht hatte sich Thomas längst in Lenis Wohnung in Nürnberg
eingenistet und war auf Lenis – Lenis Seele aus.
    Quatsch, rief sich Fanni zur Ordnung, Thomas ist ja nicht Mephisto.
Trotzdem. Fanni wollte endlich wissen, wie Thomas Luxuswagen und
Designerklamotten finanzierte und wie er zu Leni stand. Sie nahm sich vor, Leni
auf der Fahrt zu Vera ein wenig

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