Savoir-vivre mit Hindernissen
Flittchens ein. Alle drei Frauen lieben denselben Mann. Jede kämpft auf ihre Art, bis sie schließlich einsehen, dass ihre Frauenfreundschaft viel wichtiger ist, als dieser Weiberheld. Und du, Charlotte Talbach, Typ klassische Moderne? Du treibst den einzigen Mann, der dir je etwas bedeutet hat, in die Arme einer Jüngeren. Weil ich halsstarrig, stur, bockig und eigensinnig bin. Vielleicht hätte mir ein wenig Jugendstil, Renaissance und Rokoko auch gut zu Gesicht gestanden. So hat die absolute Traumfrau doch in Jons Roman ausgesehen. Ist der Typ klassische Moderne vielleicht ein Auslaufmodell, weil die Art von Frauen nicht aufregend genug, sondern nur anstrengend sind? Spring endlich über deinen Schatten, Charlotte, vergiss deinen dummen Stolz und rufe ihn an! Ein Blick auf die Uhr und ich versuche es zuerst zu Hause. Fehlanzeige. Im Büro? Nur die Mailbox. Dritter Versuch auf seinem Handy. Es klingelt nur zweimal und ich höre
»Julia Stöver, Apparat Martin Seibert, guten Abend.« Mein Kloß im Hals schnürt mir die Luft ab und ich lege sofort auf. Kurz darauf klingelt mein Telefon und ich weiß, dass er es ist. Ich ringe mich durch, seinen Anruf anzunehmen. Meine Stimme ist zittrig und ich frage ihn direkt, wo er ist.
»Im Restaurant. Ich esse zu Abend.«
»Sushi?«
»Du hast angerufen. Was gibt es?«
Die Art, in der er mit mir spricht, ist mir bekannt. In der gleichen, geschäftsmäßigen Art, hat er früher mit Corinna gesprochen, als ich neben ihm im Auto saß. Jetzt ist es also soweit. Die Zeit, seine Beziehung zu seinem neuen Gspusi offiziell zu machen, ist gekommen und ich werde ausrangiert. Wenn ich ihn jetzt frage, ob er eine Affäre hat und er mir antwortet
»Nein, Lotte, es ist mehr als das. Ich liebe Julia und ich will mit ihr leben«, dann werde ich auf der Stelle hysterisch. Besser ich frage erst gar nicht und denke mir meinen Teil.
»Lotte?«
»Verzeihung. Ich wollte dich nicht beim Essen stören. Guten Appetit.«
»Leg nicht auf und warte einen Moment!«
Scheinbar hat er das Lokal verlassen, denn ich höre Straßengeräusche.
»Bist du noch dran?«
»Hm.«
»Weinst du gerade?«
»Nicht gerade. Ständig!«
»Warum?«
»Weil du mich traurig und unglücklich machst!«
»Ich verstehe dich nicht. Du hast doch alles was du wolltest. Dein Traum vom Leben im Süden hat sich doch erfüllt.«
»Gleich nach meinem Geburtstag komme ich nach Hamburg zurück. Für immer.«
»Aha. Sag, hast du wieder getrunken?«
»Natürlich nicht. Wie kommst du darauf?«
Schon klar. Linde hat gepetzt.
»Ist noch was? Ich würde gerne weiter essen.«
»Na, dann.«
»Ich rufe dich später noch einmal an, wenn du willst?«
»Nicht nötig, Martin. Es ist alles gesagt.«
Mein Telefon klingelt ständig, aber ich gehe nicht ran. Ich könnte den nüchternen Klang seiner Stimme nicht noch einmal ertragen. Es würde mir das Herz zerreißen, denn ich weiß, es ist vorbei. Endgültig aus.
Nicole steht mit dem Baby vor meiner Tür und ich winke sie herein. Die Kleine schläft und wir schieben den Kinderwagen auf die schattige Terrasse. Ob es mir gut geht, fragt sie und unterzieht mich einem prüfenden Blick.
»Sicher. Bei mir ist alles in Ordnung.«
Ich wundere mich über ihre Frage. Die Hinrichs sind in meine Probleme mit Martin nicht eingeweiht und so soll es auch bleiben. Sie bestaunt meine Marmeladenkollektion und fragt, ob sie nicht einen Teil der Gläser an ihre Gäste verkaufen soll.
»Einige haben mich schon danach gefragt.«
»Bediene dich. Ich allein werde sie kaum verdrücken können.«
»Warum du allein? Was ist mit Martin?«
»Er mag keine Konfitüre mehr«, antworte ich und packe ihr zwanzig Gläser in einen Karton. »Den Rest bringe ich dir später vorbei.«
»Nein, Lotte das reicht fürs Erste.«
»Ich werde sie nicht mit nach Hamburg nehmen.«
»Du fährst nach Hamburg? Wann?«
»Ja, ich reise morgen ab.«
»Morgen? Ich denke wir feiern deinen Geburtstag am Samstag. Für wie lange? Wann bist du zurück?«
»Weiß nicht. Ich habe einige Sachen zu klären.«
Warum schaut sie mich so an? Hier ist doch was im Busch! Dafür habe ich ein feines Gespür. Doch bevor ich sie fragen kann, nimmt sie den Karton und stellt ihn in den Korb des Kinderwagen.
»Wir müssen. Gleich beginnt das Mittagsgeschäft. Sehen wir uns noch vor
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