Savoir-vivre mit Hindernissen
das denn nun wieder bedeuten? Meine Güte, warum bin ich nur so nervös. Ich weiß nicht wohin mit meinen Händen. Ich muss mich an irgendetwas festhalten. An einem Glas Wein. Genau. Ich schenke mir den Rest Wein aus der Flasche ein.
»Du auch?«
»Ich ja, aber du nicht!«
»Warum denn nicht?«
»Du sollst endlich mit mir reden und deinen Kummer nicht in Wein ertränken.«
»Pah. Das ist ja ein starkes Stück. Der Verursacher gibt mir jetzt auch noch kluge Tipps.«
»Ich will nicht, dass du traurig bist.«
»Das ist nett von dir, aber es kommt etwas spät! Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du mich...«
»Ich habe keine Affäre mit Julia. Sie ist...«
Oh, bitte sage jetzt nicht diesen Satz! Lieber sage ich ihn.
»Ich weiß Bescheid. Sie ist mehr als eine Affäre. Wie oft hast du diesen Satz schon gesagt? Zu deiner ersten Frau. Zu deiner zweiten Frau und jetzt zu mir. Glückwunsch, Martin. Ich wünschte, ich könnte das auch. Aber ich bin anders gestrickt als du. Für mich gab es bisher nur eine Liebe und die warst du. Und nicht erst seitdem wir ein Paar wurden. Schon lange Zeit vorher. Vielleicht kannst du nun etwas Verständnis dafür aufbringen, dass mich das Ende ein wenig traurig macht.«
Jetzt läuft es mir aus Augen und Nase und ich verfluche mich für meine ständige Heulerei. Er reicht mir sein Glas Wein und ich trinke es in einem Zug aus.
»Schon lange Zeit vorher?« Er schenkt uns nach und lässt mich dabei nicht aus den Augen.
»Mir das zu sagen, hat dich wohl reichlich Überwindung gekostet. Ich kenne keine Frau außer dir, die eine so große Klappe hat, die es aber nicht über die Lippen bringt, mir zu sagen, was sie für mich empfindet.«
»Und deine Julia sagt es dir oft genug?«
Er beantwortet meine Frage nicht, sondern sagt, dass er mich nur festhalten möchte und ich weiß einen idealen Platz dafür. Im Schein der Außenbeleuchtung führe ich ihn in den Garten zu den Korkeichen und er strahlt über das ganze Gesicht beim Blick auf die XXL Hängematte.
»Du hast es nicht vergessen?«
»Ich mag halsstarrig, bockig, eigensinnig und stur sein, aber vergesslich bin ich nicht.«
»Aha. Linde ist nicht nur eine Plaudertasche sondern auch eine Doppelagentin!«
»Wieso?«
»Von ihr weiß ich, dass du dich auf den Weg nach Hamburg machen wolltest. Ich musste dich irgendwie aufhalten, deshalb habe ich in die Trickkiste gegriffen. Um Zeit zu gewinnen, habe ich Chris gebeten, deinen Wagen lahmzulegen.«
»Du altes Schlitzohr!«
Ich liege lang ausgestreckt in seinem Arm und wir schaukeln gemächlich hin und her. Wie beruhigend das wirkt. Wir schweigen und ich merke, wie sich der Druck in meiner Brust langsam löst. Warum ich den Termin für unsere Hochzeit immer wieder aufgeschoben habe, will Martin von mir wissen und ich sage es ihm, wie es ist.
»Bisher endeten alle unseren Feste im Fiasko.«
»Ist das der einzige Grund?«
Natürlich ist das nicht der einzige Grund und ich sage es diesmal laut.
»Es gab Zeiten, da wäre ich liebend gern Frau Seibert die Dritte geworden. Aber während der letzten Wochen, die ich hier allein verbracht habe, ist mir einiges klar geworden. Die Trennung von dir hat mich regelrecht aus der Bahn geworfen. Wären wir beide verheiratet gewesen, wäre ich an der Scheidung zerbrochen.«
»So sehr habe ich dich verletzt?«
»Du weißt doch, nur jemand den man unbeschreiblich lieb hat, kann diesen unerträglichen Schmerz verursachen.«
»Warum denkst nur immer, das Weglaufen und Trennung die Lösung für unsere Probleme sind? Ich weiß, dass du gut ohne mich klarkommst. Das hast du bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Ich kann es nicht.«
»Soll das die Erklärung dafür sein, dass du dich mit Julia eingelassen hast? Bin ich jetzt zum Schluss auch noch schuld daran?«
»Wir klären doch hier nicht die Schuldfrage. Wir stehen doch nicht vor Gericht. Lass uns das Thema wechseln, bitte.«
»Nicht so schnell, Martin. Du musst mir nicht erklären, wann du angefangen hast, mich zu belügen. Ich bin an keinen Einzelheiten interessiert. Nur eins. Was hat sie hier gemacht? Warum war sie hier? Und streite es nicht ab, ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Hat sie ihr neues Revier besichtigt? Und? Hat es ihr gefallen, wie ich es eingerichtet habe oder entspricht es nicht ihrem Geschmack? Uns trennt schließlich eine
Weitere Kostenlose Bücher