Sax
den Totschlag, dessen Opfer er war, als Mord überführte.
Daß er auch den Hund gesucht, erscheint darauß, daß er deß Abends zuvor seinem Jungen gesagt, er welte noch etwan einem mitt seiner Plauten den Kopff zerspalten, dergestalten daz sein Herr Vatter uff französisch gesagt: «ce garçon me deplaist il ha dehia vendanger sans cousteau.» An iezo, so der Schaden geschechen, ist ausgerissen und sagt der Vatter, es sige ihm leid, müß bekennen, daz er mich mörderisch angriffen und ich ihm kein Ursach geben, ob es aber ein anglegte Sach gewesen, wirt die Zeit geben.
Im Publikum war längst Unruhe aufgekommen. Einzelne verständigten sich halblaut über ihren Abgang und nahmen ihn dann auch. Am Ende harrte, außer Marybel, fast nur noch das Grüppchen um Herrn und Frau Dr. Adank aus, während Diebold hochaufgerichtet und schwarz am Bühnenrand stand, ein Steuermann am Ausguck seines sinkenden Schiffs. Jetzt wäre es an Achermann gewesen, die Situation durch eine souveräne Wendung aufzufangen. Statt dessen gab er das Wort frei.
Dr. Adank, ein graumelierter, kultivierter Herr, erhob sich, ohneauf den Vortrag einzugehen; vermutlich hatte er das meiste verschlafen. Jetzt aber wollte er wissen, ob es sich bei diesem Philipp von Sax und der Mumie im Kirchturm von Sennwald um ein und dieselbe Person handle. Er sei als Bub an manchem lieben langen Sonntag von Buchs nach Sennwald hinübergeradelt, um in die Glockenstube zu steigen und sich ordentlich zu gruseln. Sogar die Schädelwunde habe man noch gesehen.
Diebold antwortete lange nicht, nur seine Kiefer mahlten. Dann sagte er:
Darf ich fragen, wer Sie sind?
Dr. Adank stellte sich mit Namen vor.
Lebt Ihr Vater noch?
Der Arzt verneinte befremdet.
Er ist also tot.
Adank bejahte überflüssigerweise und stand immer noch, wie in einem Verhör.
Gruseln Sie sich ordentlich vor Ihrem Vater? fragte Diebold.
Warum sollte ich? lächelte der Arzt schon mühsam.
Warum gruseln Sie sich dann vor Philipp von Hohensax?
Der Arzt setzte sich.
Weil er tot ist? Glauben Sie, Philipp von Hohensax sei toter als Ihr Vater?
Jetzt begann Dr. Adank mit seiner Gattin zu flüstern; Achermann wollte eingreifen, doch Diebold beachtete ihn gar nicht.
Wie gehen Sie mit Toten um, wenn ich fragen darf? Wollen Sie ein Arzt sein?
Dr. Adank erhob sich, diesmal zum Gehen, und damit war der Aufbruch komplett. Binnen weniger Minuten befand sich Achermann mit Diebold und Marybel allein im Saal.
Diebold nahm seine schwere Tasche auf. – Zum Umtrunk? fragte er.
Wir werden allein bleiben.
Fürchten Sie sich davor?
Unter der Tür stand Marybel, bereit, sich anzuschließen.
Sie sind ein Luder, sagte Diebold, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Marybel erstarrte, dann füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie lief weinend weg.
Das «Marignano» war leer, bis auf einen einzigen, für zwölf Personen gedeckten Tisch. Die Serviererin wollte die nicht benötigten Gedecke entfernen.
Lassen Sie nur, befahl Diebold, es ist gemütlicher so. Achermann hatte es die Sprache verschlagen. Auch seine Kiefer hatten zu mahlen begonnen. Diebold hatte sich gesetzt, immer noch in Mantel und Hut.
Haben Sie ein Gelübde getan? Weil Sie Ihren Hut auflassen.
Diebold nahm den Hut ab und legte ihn neben sich auf den Stuhl. Unwillkürlich blickte Achermann nach einer Schädelwunde. Aber Diebold hatte zwar ungepflegtes, doch dichtes, ganz dunkles Haar. Sein fleischiges Gesicht war ungesund gerötet, und seine Augen irrten suchend im Raum umher. Die Bedienung erkundigte sich nach den Wünschen; Diebold aß nichts, und so verzichtete auch Achermann auf Bewirtung. Ein Glas Wasser. Und schließen Sie das Fenster, es zieht! Merken Sie es nicht?
Aber es war gar nichts offen. Dennoch blieb der Platz unter dem Sinnspruch (
Machet den zun nit zu wit
) so kalt, daß auch Achermann versucht war, den Mantel wieder anzuziehen. Sie tranken wortlos. Dann sagte Diebold: Sie haben sich nach der Kunst meiner Frau erkundigt. Ich lade Sie zu einer Besichtigung ein.
Gern, log Achermann.
Es paßt leider nur morgen abend, sagte Diebold.
Was hätte es Achermann gekostet, seinerseits bedauernd den Kopf zu neigen, und wie viel hätte er sich erspart. Statt dessen sagte er: Morgen ist Montag. Und wann?
Um sieben, zum Abendmahl.
Zum Nachtessen, danke, wiederholte Achermann. Aber ich habe Ihre Adresse nicht.
Diebold entnahm seiner Mantelbrust einen hölzernen Bleistift,wie ihn Zimmerleute gebrauchen, und begann auf einer
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