Sax
im Jahr, seiner schwülen Hitze wegen so gut wie unbewohnbar, was das nahe Dubai auf die Idee gebracht hatte, eine ganzjährig befahrbare Wintersporthalle zu bauen, während Hoheit Rashid bin Hasher zu sagen pflegte: «bei uns werden die Gäste von sich aus cool.»
How to be inthe picture
, lautete die Eigenwerbung des Emirats. Hier ging man in keinen Film mehr, man
war
in einem Film.
Die Legende dazu lieferte Numa Gaul, der persönliche Reiseführer der Delegation aus der Schweiz, der sie im Reisebus, einer Kühlbox auf Rädern, auch ins Allerheiligste des Emirats führte, zum
Image Generator
, auch
Picture Pit
genannt, da die Anlage als steiles Amphitheater zwanzig Stockwerke in die Erde abgeteuft war. Von weitem schon imponierte ihr oberirdischer Teil: zwölf Türme am Kraterrand, die in einem Kreis von einem Kilometer Durchmesser angeordnet waren «wie Staubfäden in einem Blütenkelch». Allerdings sahen die Türme, jeder eine mit dornartigen Warzen gespickte Walze, eher Säulenkakteen ähnlich oder – «sagen Sie nur, was sie denken», ermutigte Gaul die Reisegesellschaft – Noppen-Kondomen, «aber betrachten wir sie als
Land Art, snorkels of the Yellow Submarine
».
Für Kenner waren sie Windtürme, das geniale Kühlsystem für den Krater. Man mußte die Luft nur richtig fallen und steigen lassen und unterwegs passend befeuchten, dann kühlte oder wärmte sie nach Bedarf. Bernoulli-Effekt, Venturi-Effekt – Kamineffekt verstand man besser, auch Verdunstungskälte. Die Türme wirkten porös, und das Gebüsch, das aus den Öffnungen wucherte, verstärkte den Eindruck des Organischen. Übrigens war auch Numa Gaul sehenswert, mächtig gebaut, mit immer gerötetem kinnlosen Gesicht und zum Pferdeschwanz gerafftem gelben Haar. Er stammte aus Libanon und Luxemburg, doch war er in Münsterburg aufgewachsen und hatte Spieltheorie studiert, bevor er sich auf Pataphysik spezialisierte. Er verstand sich als Pionier einer multiplen Realität, der Salomon Szenarien und Stichworte für die technische Umsetzung lieferte. Sein engster Kreis war zugleich der unterste des Trichters, angeordnet um die
Black Sun
, ein Kreisrund, das von oben einer permanenten Sonnenfinsternis mit lodernder Corona gleichsah, aber, je näher man ihr kam, zur Zisterne mit Trinkwasser wurde, aus der man sich mit Eiswürfeln zum Whisky bedienen konnte.
Aber dieser Drink wollte verdient sein. Schon beim Verlassen des Busses hielten sich die Besucher die Ohren zu. Ein Sirren und Schwirren lag in der Luft, das offensichtlich von den Türmen ausging, nicht laut, doch penetrant. Die Luft
röhrt
, lächelte Gaul; Neulinge hielten die Frequenz nicht aus, längerer Aufenthalt in den Türmen sei nicht geraten. Es sind aber doch Leute darauf! glaubte ein Fotograf zu bemerken. – Nur Reste von solchen, erklärte Gaul, aber gruseln Sie sich nicht. Es gibt nichts so Sauberes wie Luftbestattungen. Und ein bißchen Ohrensausen stört die Toten nicht mehr und schreckt auch die Geier nicht ab. – Fotografieren war nicht verboten. So kam die Schweiz zu sensationellen Bildern, denn in die Nähe der
Picture Pit
hatte das Emirat noch niemanden gelassen.
Die Gesellschaft Sidonies wurde ausgiebig mit Shaidans
Open Air Landlifting
bekannt. Gemeint war, daß man für
special effects
ohne Projektionsschirm auskam, vielmehr Licht und Luft so aufbereitete, daß sie selbst als Bildträger dienten. Die Idee war, sich in einer vertrauten Szenerie zu befinden, ohne sie wiederzuerkennen. Das Bekannte steckte plötzlich voller Überraschungen, war unterfüttert von Fremde. Und auch wenn der Effekt in der Regel kosmetisch war: Gaul schloß nicht aus, daß man auch andere Saiten aufzog und etwa aus einer Alp – wie er launig bemerkte – mit Mausklick einen Alptraum machte. Da die Veränderung ohne Rahmen war, konnte sie grenzenlos wirken. «Wir sorgen dafür, daß der Betrachter psychisch abhebt – oder wir ziehen ihm den Boden unter den Füßen weg. Zur Zeit arbeiten wir am Licht der Erinnerung.» Die Natur zur Mitspielerin zu machen, ohne ihre Unbequemlichkeit in Kauf zu nehmen, gehörte zu den erklärten Zielen von
Shaidan World.
Eines schönen Tages werde man das dreidimensionale Bild von technischem Gerät lösen und mit dem körpereigenen Sensorium direkt zusammenschließen, nach dem Muster der direkten Animation von Prothesen durch das Gehirn. Schließlich wolle man nicht schwer verkabelt in der freien Natur sitzen, sondern als Freizeitmensch,der die Szene selbst
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