Sax

herstellen kann, die er sich zu Gemüte führen will. Statt eines banalen Sonnenuntergangs einen Wirbelsturm, einen Tsunami, Eisberge mit Eisbären, den Ausbruch eines Vulkans oder die Geburt einer Supernova.
    Sidonie und Hubert sahen ihren Sohn auf dem
Black Sun Level
am Werk, es war sein «Gugger»-Studio in Potenz. Noch waren 4-D-Events erst an Bildschirmen darstellbar, die Simulation blieb auf das Modell beschränkt, aber einzelne ihrer Effekte flossen bereits in das Programm ein, das den Gästen vorgesetzt wurde, und machte etwa aus einer Tanzrevue in der Wüste eine Féerie, die sich über das ganze Himmelszelt ausdehnte, als wäre es von einem Pop-Tintoretto ausgemalt. Der Herrscher hatte Neurophysiologen und Bioniker aus aller Welt nach Shaidan gezogen, aber nicht, wie Salomon den Medienleuten erklärte, um die gewünschte Wirkung durch halluzinogene Substanzen zu unterstützen, sondern um körpereigene Äquivalente zu mobilisieren. Der junge Herrscher, ein Feind aller Drogen, verschmähte für seine Person sogar die Wasserpfeife. Doch im Umgang mit Andersbedürftigen zeigte er Verständnis, wenn sie bestimmte Reize nicht entbehren konnten, und hatte etwa für erotische generös vorgesorgt. Unter den Attributen der Allmacht, die er repräsentierte, hätte man die Prüderie umsonst gesucht, denn wer wahrhaft gastlich ist, denkt nicht eng.
    Die
Picture Pit
, mit keinem Filmstudio zu vergleichen, war ein Märchenland zukunftsbildender Kommunikationstechnologie. Man wartete die Zukunft nicht ab, man stellte sie her. Das Steuergerät, das ein Besucher von
Shaidan World
bei sich tragen mußte, um in die verwandelte Szene nicht nur einzusteigen, sondern daran mitzumodellieren, war nicht größer als der Knopf eines Steiff-Tiers. Im Ohr getragen, lenkte er (Salomon drückte sich fachmännischer aus) bestimmte Hirnströme um und verband sie zu einem neuen Netzwerk, das Eindrücke selbsttätig bearbeitete, so daß zwar alle Netzteilnehmer etwas Vergleichbares erlebten, aber auch nicht zwei das gleiche. Selbst die Repräsentation eines raumfüllenden Gewitters lasse sich auf diese Weise individualisieren; von Gleichschaltungkönne keine Rede sein. Wolle man aus dem Erlebnisprogramm aussteigen, sei nichts weiter als ein Paßwort nötig; dann würden
gleichzeitig
die Stimulation des Gehirns und die Transformation der Szene zurückgefahren. Für die Journalisten stellte sich Salomon nicht mehr als importierter Fachmann dar, sondern als heimlicher Nebenkönig des Emirats.
    Kein Wunder, daß er zur Statur seiner Mutter viel beitrug. Sidonies Expedition nach Shaidan erwies sich als ideale
Homestory
. Die arabische Kulisse machte das typisch Helvetische der Besucher besser sichtbar und ließ es als vorbildlich erscheinen. Die Kandidatin trat nicht als Schulmeisterin einer neuen Generation auf, sondern als Lernwillige, die aber auch Vorbehalte geltend machte, sogar was ihren eigenen Sohn betraf. So empfahl sie sich auch als gereifte Vertreterin des dritten Alters. In einer guten Familie redet man über alles, der Ausgleich der Generationen bleibt möglich. Dabei fiel dem Ehemann und Vater nicht nur die Rolle eines verständnisvollen Begleiters, sondern auch eines skeptischen Humoristen, gelegentlich sogar eines Slapstick-Komödianten zu, der, wie der erste beste, an der Tücke orientalischer Objekte scheiterte. Achermann agierte mit einem Stich ins Melancholische, intelligent auch auf eigene Kosten, wobei ihm sein juristisches Training zustatten kam. Er gab, wenn er durch die Wüste ritt, zu verstehen, daß auch ein Dromedar zwei Seiten hat, aber nur einen Höcker. Wenn er sich etwa mit philippinischem Personal – übrigens in fließendem Spanisch – unterhielt, zeigte er seine soziale Ader. Stark war er in der Behandlung religiöser Fragen und verleugnete nicht einmal ein gewisses Verständnis für fundamentalistische Positionen. Über den Islam zeigte er sich oft besser beschlagen als der Imam, mit dem er sich unterhielt, doch ohne eine Spur von Überheblichkeit.
    Die mitreisenden Medienleute wurden Sidonies beste Verkäufer. Die Wirz-Achermanns führten vor, daß man sich im Wüstenzelt bei der Falkenjagd ebenso wie in den Chefetagen von
Shaidan World
in bestem Englisch unterhalten und selbst eine schneeweiße Kandoura oder eine fußlange schwarze Abaya tragen kann, «ohnedas Schweizer Format zu verleugnen». Wer nicht dabei war, schnödete natürlich über
embedded journalism.
Aber die
Homestory
erreichte auch ein