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Sax

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Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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Publikum, das bisher gefremdelt hatte. Mit Sidonie und Salomon durfte sich die Schweiz zeigen. Shaidan war der Ort, an dem man auch einem
whizz kid
nachsah, was man bei jugendlichen Fußballmillionären fast neidlos akzeptierte. Wer so früh den Jackpot knackt, ist nicht von schlechten Eltern.
    Die Gastgeber behandelten Achermann, den Erzeuger eines genialen Salomon, mit fast erdrückendem Respekt, doch Scheich Rashid bin Hasher, in Princeton geschult und mit dem Brauchtum des christlichen Abendlandes hinreichend vertraut, zeichnete auch Sidonie mit seiner Galanterie aus. Er wußte, wer die Hauptperson der
Homestory
war. Und wenn er sie meist in rein weiblicher Gesellschaft auftreten ließ, kam er nur dem Drehbuch entgegen, das vorsah, die Angst vor einer Emanze im Bundesrat zu zerstreuen. Vor den Seinen trug sich der Scheich als splendider Jungpatriarch, und die Ehrerbietung, die sein kanariengelbes Kleid auf Schritt und Tritt umgab, erhob ihn in eine andere Dimension. Schweizern aber zeigte er sich vertraulich und grinste lausbübisch in die Kamera.
    Doch wehe, wenn man ihm auf gleichem Fuß begegnete! Es hieß, er pflege den Schliff seines Schwertes gelegentlich mit einer eigenhändigen Hinrichtung zu überprüfen. Er herrschte anstelle seines Vaters, den eine markante Geistesschwäche zum Rückzug gezwungen hatte. Einige Jahre hatte der hinfällige Großvater die Stelle des Alleinherrschers versehen, bevor er sie dem sehr jungen Enkel abtrat. Nachdem dieser anfangs von angenommener Würde förmlich erstarrt gewesen sei, habe ihn der Auftritt Salomons zu neuem Leben erweckt, und jetzt wolle er sich von Dubai und Abu Dhabi nicht lumpen lassen und mache unerbittlich Ernst mit märchenhaften Entwicklungsplänen für seinen Wüstenfleck. Aber auch SALI war in dieser Goethe-ähnlichen Position kein
Nerd
mehr, sondern holte die Jugend nach, die er sich vor dem Bildschirm hatte entgehen lassen. Reiten hatte er schon im «Gugger» gelernt, nunaber betätigte er sich als Pferdezüchter, unterhielt einen eigenen Rennstall und erschien in azurblauer Kandoura mit silbernem Kopfreif auf der Ehrentribüne des berühmten
Shaidan Turf.
    Zum Glück für die
Homestory
blieb er der geistigen Nähe zum Islam durchaus unverdächtig, auch wenn ihn ein ganzes Gefolge beduinischer, meist bärtiger Männer umgab. Und was Sidonie betraf, erlebte man eine Kandidatin, die ihre Zunge zu hüten verstand, manchmal nur ein Lächeln für sich sprechen ließ und schweigend um so vielsagender wirkte. In Interviews war sie beredt, während sich ihr Mann eher bedeckt hielt. Sein zurückhaltender Auftritt verlieh ihm etwas Staatsmännisches, und nach Shaidan wurde die Frage nach seiner Eignung als Partner einer Bundesrätin nicht mehr gestellt.
    Achermann triumphierte nicht, er hatte sich überwunden, mehr als je im Priesterseminar oder in der Kapuzinerkutte. Shaidan war eine Hohe Schule der Entfremdung. Das Orient-Parfum war allgegenwärtig, aber die Gewürze im Bazar rochen erst, wenn man mit der Nase darauf stieß. Dafür war das Meer vollständig geruchlos. Dieses sterilisierte Wasser mit kaum plätschernden Säumen – kein Strandgut, kaum eine Muschel – war nur zum Anschauen gedacht. Am deutlichsten aber machte sich der falsche Film bei Kontakten mit dem Personal bemerkbar. Sprach man einen chinesischen Kellner, ein malaiisches Zimmermädchen an, verschwanden sie. Ihr Lächeln ließen sie stehen. Aber ihre wahre Person war abgetaucht. Sie mußte fürchten, bei einer anderen Realität ertappt zu werden als der in Shaidan zugelassenen; das hätte sie ihre Existenz gekostet.
    Einmal
Homestory
und nie wieder!
Dieses Versprechen war – in diplomatischer Form – schon
vor
Shaidan Gegenstand einer öffentlich abgegebenen Erklärung gewesen. Mußte man um Verständnis bitten, wenn man seine Privatsphäre abzuschirmen wünschte? Die Medien nahmen den Wunsch scheinbar respektvoll zur Kenntnis. Die Hotelszene, in der sie das Paar trotzdem filmten, hatte ein venezianisches Flair; die Suite, in der man residierte, war eigentlichdie Miniatur eines maurischen Inselpalastes und nur mit Booten zu erreichen. Der Vermutung eines glücklichen Paars ergab sich schon aus dieser Szenerie. Dennoch waren findige Reporter bereits einer neuen Kombination auf der Spur: Sidonie Wirz und Numa Gaul!? Noch hatte der Fußabdruck die Form eines Fragezeichens, doch warum sollte es sich nicht zum Ausrufezeichen flachtreten lassen?
    Im August tauchte er wirklich als
Artist in

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