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Sax

Sax

Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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o.k.?
    Warum ziehst du die Fische nicht wieder auf?
    Moritz fühlte seinen Puls. – Das kann Hermann auch. Leg dich einen Augenblick hin. Komm, wir gehen in dein Zimmer.
    Er faßte ihn unter, und Jacques ließ sich widerstandslos führen; die Szene fiel nicht auf, denn auf der Terrasse saßen schon andere eng umschlungen. Die zwei jungen Männer im Kaminzimmer blickten ihnen verträumt entgegen.
    He! sagte Moritz. – Ihr müßt hier weg.
    Warum? fragte einer.
    Weil ich’s sage, antwortete Moritz.
    Du bist ja ein repressives Arschloch, sagte einer, doch bei Jacques’ Anblick rappelten sie sich auf. Marybel stand in der Tür und sagte: Laßt mich zu ihm. Ich weiß, was zu tun ist.
    Moritz stutzte. – Er braucht Ruhe, sagte sie, ich schließe das Fenster.
    Moritz nickte langsam und war kaum draußen, da drehte sich auch der Schlüssel im Schloß. Und im selben Augenblick stieß Moritz mit Thomas Schinz zusammen.
    Haben Sie Marybel gesehen? fragte er.
    Sie ist da drin, bei Jacques. Er fühlt sich nicht wohl. Sie leistet Erste Hilfe.
    Er konnte zusehen, wie Thomas Schinz mit sich kämpfte. Dann sagte er: Unten gibt es auch eine Toilette, nicht wahr?
    Ich zeige sie Ihnen.
    Als sie auf der Treppe standen, sagte Schinz:
    Wenn sie wieder zum Vorschein kommt, richten Sie ihr aus, ich sei gegangen. Wir sollten noch miteinander reden, Moritz, über New York.
    Ich rufe Sie morgen an, sagte Asser.
    Wissen Sie, sagte Thomas Schinz, Jacques hat mir den Tod seiner Mutter nie verziehen.
    Schinz war schon auf der Treppe, da rief jemand seinen Namen. Es war Peter Leu. Er stand im Eingang seiner Wohnung, blaß wie der Tod.
    Thomas, sagte er. – Ich dachte, ich könne dir vertrauen.
    Ich habe nicht geplaudert, sagte Schinz, verlaß dich drauf.
    Er war schon an Leu vorbei, als der ihm nachrief: Ich vermiete jetzt noch
mehr
. Auch meine eigene Wohnung. Nur daß du’s weißt. – Und als ihn Schinz kurz und vernichtend ansah, fügte er hinzu: Es ist immer noch mein Haus. Und kein Freudenhaus.
    Schinz machte eine unbeschreiblich wegwerfende Bewegungund stieg mit schwerem Schritt weiter ab. Jetzt wandte sich Leu Moritz zu.
    Man hat mich verraten, Herr Doktor, sagte er, man ist meinem Vater sehr nahegetreten. Gehört sich das? Ich frage Sie.
    Ich rede mit Jacques, sagte Moritz. – Sie sehen müde aus, Herr Leu. Gehen Sie ruhig ins Bett.
    Und wer paßt hier auf? Wann wird hier je wieder aufgeräumt?
    Dafür sorge ich, sagte Moritz Asser, ich gehe als letzter.
    Es war halb zwei, Tövet griff Volkslieder auf seiner Gitarre, in Abständen krähte der Diskant des Unbedingten. Die Linde rauschte hörbarer als der Verkehr. Hubert Achermann lehnte an der Wand des Holzkastens; jemand setzte sich neben ihn. Es war Sidonie.
    Was ist das eigentlich? fragte sie und klopfte gegen das Holz.
    Jacques nennt es die Kaaba. Vielleicht ein Wasserreservoir oder ein vernageltes Oberlicht.
    Wenn man drauftritt, klingt es hohl.
    Das hat man gehört. Sie waren grandios. Schon die gymnastische Leistung.
    Und jetzt möchte ich mit Ihnen tanzen.
    Ich kann nicht tanzen, sagte Achermann. – Ich kam nie richtig dazu.
    Dann sind Sie auch noch nicht davon abgekommen. Sie sind so gefällig, Hubert, dann können Sie auch tanzen.
    Warum bin ich gefällig?
    Ich habe Sie beobachtet, bei Ihrer Vollversammlung.
    Warum gehen Sie dahin? Sie sind doch keine Juristin.
    Aber ich suche einen Juristen. Wie wär’s denn mit Ihnen?
    Wenn Sie einen Anwalt brauchen, Moritz ist der beste.
    Er ist Jude. Ich brauche einen guten Schweizer Christen, für den hätte ich ein Mandat. Sie haben heute schon eins angenommen, nicht wahr? Von dem älteren Herrn in Jeans, der sich jetzt mit Leus Sekretärin beschäftigt.
    Woher wissen Sie das?
    Ich habe gelauscht. Was schreit der Herr dort hinten die ganze Zeit?
    Unbedingt
, glaube ich.
    Recht hat er. Dann möchte ich jetzt mit Ihnen tanzen –
unbedingt!
Darf ich bitten? Oder
muß
ich bitten?

3
7. September 1970. Jugendreise
    Tövet zupfte einen Tango, über das Instrument gebeugt, wie um sich selbst besser zu hören. Achermann hatte kaum seinen Arm um Sidonie gelegt, da begann sie ihn schon zu leiten. Hingabe an eine Frau war ihm fremd, und Sidonie beschränkte ihr Repertoire keineswegs auf ein schonendes Minimum. Es gefiel ihr, sich brüsk von ihm abzustoßen, um sich weit zurückzulegen. Oder sie nahm ihn auf eine gestrenge Schrittparade mit, die sie mit schroffer Kopfdrehung einleitete. Die Gesellschaft begann sich dem Paar zuzuwenden und

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