Sax
ihnen die ganze Wand entgegen. Sie war eine Tür; dahinter erschien der Anfang einer lädierten Wendeltreppe mit steinernen Stufen. Ich hole Licht, sagteHermann, kam mit zwei Handlampen zurück und leuchtete in den Treppenschacht.
Um die Mittelsäule lief ein Seil, daran begannen sie sich, Hermann voran, in die Höhe zu hangeln. Zur Säule hin liefen die Stufen eng zusammen, öfters war eine geborsten, doch das Seil war neu und wirkte sicher. Sie hatten sich wohl ein halbes dutzendmal um die Mittelachse gedreht, bevor die Lichtkegel an eine Bretterdecke stießen. Hermann stemmte sie mit dem Rücken hoch; es war eine Falltür, die sich an der Wand fixieren ließ. Sie stiegen durch die Öffnung und standen auf einem breiteren Treppenabsatz; in der Nische dahinter zeigte sich eine massive Tür.
Wo geht die hin?
In euren vierten Stock, sagte Hermann, ich schätze, zu Marybel.
Dort gibt es gar keine Tür.
Das können wir ja noch feststellen. Aber jetzt kommt’s.
Noch ein paar Stufen, dann standen sie in einem Raum, wie Achermann noch keinen gesehen hatte. Die Scheinwerfer flogen wie Motten durch eine Kuppel, tasteten ihre Höhe ab, den Beobachtungsspalt, Zähne und Räderwerk des Drehmechanismus. Dann huschten sie über das Rund der Wände, senkrechte Lamellen aus rötlichem Holz, quadratische Messingbeschläge, in jedem ein Ring. Zwölf davon zählten sie, und als Hermann an einem zog, öffnete sich ein mit Tablaren ausgelegter Schrank. Aus dem nächsten senkte sich ein Brett heraus, das sich zu einem Tisch mit angehängter Sitzbank entfaltete und sich auf den Fußboden senkte; dieser bestand aus Schiffsplanken mit verpichten Fugen. Darauf brachte Hermann noch einen Brunnen mit zinnernem Wasserbehälter zum Vorschein; die übrigen Schränke ließen sich nicht öffnen oder waren leer. Als Hermann das Arbeitspult mit seiner altertümlichen Mechanik in den Schrank zurückgeklappt hatte, wirkte auch der Raum wieder ganz leer, bis auf das Ende der Treppensäule, eine rissige Plattform, die wohl noch einen Meter in den Raum hineinragte.
Da hat das Teleskop drauf gestanden, sagte Hermann.
Wo ist es hingekommen?
Der alte Leu hat die Instrumente verkauft, nach Amerika, als ich noch ein Bub war. Die Umzugsmänner trugen grüne Overalls und sprachen englisch.
Leu hat den Raum also gekannt, sagte Achermann, ich erinnere mich nicht, daß er ein Wort davon gesagt hätte.
In der Kuppel spukte es angeblich, darum wurde sie mal zugenagelt. Mit der großen Kiste auf eurem Dach.
Du hast auch nie etwas gesagt.
Wenn man nicht gefragt wird.
Und hier oben bist du auch nicht das erste Mal.
Ich könnte ein Lager gebrauchen.
Achermann ging, das Licht in der Hand, einmal im Kreis herum, als suche er etwas. Doch er hatte es schon gefunden. Dies war sein Raum.
Hier wolltest du ein Lager einrichten? Am Ende dieser Wendeltreppe?
Ich brauche einfach mehr Platz. Sonst, weißt du, müßte ich ausziehen. Das Geschäft ist größer geworden, das Soussol nicht, und es macht auch nichts her.
Hubert ahnte das komplizierte Verhältnis Hermanns zu diesem Haus. Als verleugneter Sohn hatte er etwas wie moralischen Anspruch darauf, und nun gehörte es ihnen.
Die Leute lassen weniger reparieren, und ich könnte mehr verkaufen. Auf die Dauer geht es nicht ohne Ausstellungsraum.
Wir könnten den ersten Stock frei machen.
Hermann stutzte, dann lachte er. – Ein Fahrradgeschäft in der Beletage von Achermann, Asser & Schinz?
Für Jacques und mich genügt Marybels Etage, und das Dach haben wir immer noch. Moritz ist nur alle paar Wochen im Land, und seine Avatars kommen mit zwei Etagen hin. Wozu brauchen wir Konferenz- und Repräsentationsräume? Für die Denkmalpflege?
Ich soll die Barocksäle mit Bikes bestücken?
Sind sie häßlicher als Polstergruppen? Das Kirschholzparkett,gut – du wirst ja keine Bremsspuren hinterlassen. Dafür hast du immer noch den Hof. Zu dem wird sich ja auch ein Zugang durchs Haus schaffen lassen.
Du meinst, in mein Geschäft käme man dann durch die Vordertür.
Das gehört sich bei guter Kundschaft.
Und was soll das kosten? fragte Hermann.
Ein Vorschlag, sagte Achermann langsam. – Du richtest mir diesen Kuppelraum so her, daß ich darin hausen kann. Dafür hast du das Hochparterre drei Jahre mietfrei.
Das wirst du mit deinen Freunden besprechen müssen. Aber ist der Raum das richtige für dich?
Er sagt mir zu. Oder bist du abergläubisch, Hermann? Man hat ja nicht mal gewußt, daß es ihn gibt.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher