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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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drückt also auf die richtige Seite. Wird bald kein Wind mehr, sondern Sturm sein.“
    Ich starrte hinauf zu der Eiche, bemüht, etwas zu erkennen. Ein Schatten bewegte sich dort. Es konnte aber ein geknickter, baumelnder Ast sein. Doch es gab keinen Zweifel: Wenn eine Bö die Stimme herüber wehte, brachte sie auch die Geräusche der Axtschläge mit. Es waren regelmäßige Hiebe, viel wuchtiger als die, welche ich am ersten Abend gehört hatte.
    Immer stärker wurde der Lärm ringsum. Die Wächter fluchten, weil der Wind ihre Kienfackel ausgeblasen hatte. Von einer benachbarten Hütte wurde ein Balken abgerissen, er fiel polternd herab. Die Ziegen in der Hütte meckerten kläglich, in anderen Stallhäusern muhte, grunzte und wieherte es. Die Bäume im Hain bogen ihre Wipfel und rauschten wie eine Meeresbrandung.
    Im Saalhaus stimmten die Teilnehmer des Gelages mit der Ausdauer von Betrunkenen immer noch einmal eines ihrer schaurigen, gefühlvollen Lieder an.
    Plötzlich gaben die jagenden Wolken ein großes Stück Himmel frei. Ein Mondstrahl huschte über das Dach des Hauses und die Bäume des Hains.
    Da war sie wieder – die grässliche Fratze. Wie im Widerschein eines Höllenfeuers grinste sie mit einem riesigen Rachen. Das Poltern, Heulen und Brausen schien das Hohngelächter zu sein, das ihm entströmte. Ich schloss schaudernd die Augen – und gestehe, dass ich für einen Augenblick abtrünnig wurde. Gott verzeihe es mir! Ich glaubte tatsächlich, den alten Heidengott, den schrecklichen Saxnot, vor mir zu haben..
    Aber Odo holte mich gleich in die Wirklichkeit zurück.
    „Das ist ja Erk!“
    Ich riss die Augen wieder auf und starrte nach oben. Wahrhaftig, was sich da hin und her bewegte, war kein baumelnder Ast. Das war ein Kerl mit gewaltigen Schultern, der eine Axt schwang. Und der Rachen des Saxnot war nichts anderes als die klaffende Wunde im Stamm der Eiche.
    „Aber … aber er wird sie fällen!“, sagte ich aufgeregt. „Vielleicht noch heute Nacht!“
    „Schon möglich“, erwiderte Odo. „Wenn es Erk nicht allein schafft, hilft ihm der Sturm.“
    Der Mond verschwand wieder hinter Wolken. Sie türmten sich zu dunklen Gebirgen, die auch das letzte Stückchen Himmel verdeckten. Nun schien über alles ein schwarzes Tuch gebreitet zu sein – über den Hain, die Saxnot-Eiche, den Salhof.
    Nur aus dem Herrenhaus schimmerte es schwach. Dort im Saal mussten noch ein paar Kienspäne brennen. Und die dort drinnen saßen, fanden kein Ende. Es waren immer noch drei oder vier von ihnen, die mit heiseren Stimmen sangen. Die anderen mochten nach und nach eingeschlafen sein.
    „Wir müssen etwas tun!“, sagte ich. „Es ist unsere Christenpflicht! Wir müssen sie warnen. Der Baum kann jeden Augenblick auf das Haus stürzen. Wenn wir nichts unternehmen, sind sie verloren. Hörst du mich, Odo? Wir müssen … Was ist mit dir? Schläfst du?“
    Er brummte nur abweisend. Ich starrte in die Dunkelheit und sah in Umrissen seine Gestalt, gegen die Wand der Hütte gelehnt. Der Kopf schien ihm auf die Brust gesunken zu sein. Was war zu tun? Meine Hände waren mit scharfkantigen Lederriemen gefesselt. Ein dicker Strick schnürte die Füße zusammen. Ich lag zwei Fuß unter dem Erdboden in einer dieser Gruben. Nur durch Rufen konnte ich mich bemerkbar machen. Also sperrte ich den Mund auf und schrie. Alle Kraft, die ich noch besaß, nahm ich zusammen und brüllte aus voller Lunge gegen das Krachen, Poltern und Brausen an.
    Zunächst geschah nichts. Odo neben mir rührte sich auch jetzt nicht. Dann erschien einer der Wächter am Türloch der Hütte. Er fluchte erbärmlich, zog den Kopf ein und kam herunter. Ich setzte zu einer Erklärung an – und hatte schon seine Faust auf der Nase. Und während ich stöhnte und nach Luft schnappte, riss er mir die Kapuze ab und stopfte mir ein Ende davon in den Mund. Dann versetzte er mir noch einen Tritt in die Seite. Fort war er wieder.
    Den Rest der Nacht lag ich halb betäubt, halb erstickt und von Schmerzen geplagt auf dem stinkenden Stroh. Meine Sinne waren so sehr getrübt, dass ich alles, was um mich geschah, nur noch gedämpft und undeutlich wahrnahm. Weit weg war jetzt das Heulen und Brausen. Irgendwo in der Ferne erhoben sich die Schatten von Häusern und Bäumen. Selbst als der Sturm einen Stützpfeiler unserer Hütte fortriss, blieb ich teilnahmslos. Ich bemerkte kaum, dass er auch eine der Lehmwände eindrückte. Nicht einmal die Hufe der fliehenden Ziegen, die über mein

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