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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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aus.
    „Und wie bist du darauf gekommen?“
    „Am ersten Abend hörte ich den wirren Gesang. Ich schlich näher und vernahm dazu Axtschläge. Am Morgen untersuchte ich den Stamm und entdeckte den tiefen Einschnitt, mit Moos und Zweigen verstopft. Dazu frische Späne am Boden. In der Hütte des Umm fand ich dann die Axt.“
    „Demnach hätte also der alte Heidenhäuptling das Werk des christlichen Missionars vollenden wollen. Und sogar unter Psalmengesang.“
    „Ja. Natürlich in seinem Sinne. Um Saxnots ungebrochene Macht zu beweisen. Jede Nacht, wenn im Saalhaus ein Gelage stattfand, also fast täglich, waren die beiden zur Stelle. Der Gesang lenkte ab und übertönte die Axt. Die Männer im Saalhaus lärmten selbst und gewöhnten sich daran. Notfalls konnte Athanasius ihren Unmut auf sich lenken. Der Alte muss mehrere Jahre lang Nacht für Nacht gearbeitet haben. Kräftige junge Kerle brauchen immerhin Wochen, um einen solchen Baum zu fällen. Nun, ich glaube, er war fast am Ziel. Vielleicht noch einen Monat oder zwei … und sein innigster Wunsch wäre in Erfüllung gegangen. Saxnot hätte Volz und die anderen zerschmettert.“
    „Außerordentlich“, murmelte Odo. „Erhaben und sinnreich!“
    Einen Augenblick lang schwiegen wir, unseren Gedanken nachhängend, und ich sagte dann noch: „Sie müssen es jetzt wohl endlich bemerkt haben. Es sieht so aus, als sei die Füllung aus dem Einschnitt entfernt worden. Vielleicht haben sie erst einmal Keile hineingetrieben. Aber sie werden die Eiche fällen müssen, schon wegen der Herbststürme. Sie werden sie niederlegen, und zwar so, wie es Theofried wollte. Gottes, nicht Saxnots Wille erfüllt sich. Amen.“
    Dann wurde lange kein Wort gesprochen. Weshalb sollten wir undurchführbare Fluchtpläne schmieden? Zehn, zwölf Männer saßen jetzt vor dem Eingang der Hütte. Die Vorhalle gegenüber hatte sich geleert. Einige waren fortgegangen, andere aber, die noch kein Bedürfnis nach Ruhe hatten, waren herüber gekommen, um mit unseren Wächtern zu würfeln. Sie begleiteten ihr Spiel mit immer denselben Ausrufen, unterbrochen von Gelächter und kurz aufflammendem, aber ebenso schnell versiegendem Streit.
    Es musste auf Mitternacht gehen. Noch immer war es sehr warm, aber ein kräftiger Wind war aufgekommen, der an den Pfosten und Balken rüttelte und Stroh von den Dächern riss. Die Wolken zogen hastig vorüber, immer wieder mal ein Stück vom Sternenhimmel enthüllend. War es das letzte Mal, dass ich ihn sah? Es war schwer, trotz Dunkelheit, Hitze, Gestank und Gebrüll den Geist auf die große Reise vorzubereiten und die Gedanken auf die Ewigkeit zu richten.
    Aus dem Saalhaus war lange nur wirres Geschrei zu hören gewesen. Jetzt aber hatten Volz und seine Liudolfs und Liudgers, die noch beim Gelage saßen, zu singen begonnen. Es waren endlose, monotone Gesänge, die sie mit ihren tiefen, rauen, dröhnenden Stimmen hervorbrachten. Vielleicht waren es noch die gleichen, die schon Cäsar und seinen Kohorten Schauer über den Rücken gejagt hatten, wenn die Germanen sie nachts im Feldlager brummten. An- und abschwellend, mit einer Folge weniger, lang ausgehaltener Töne, die manchmal in Seufzern und Schluchzern ausklangen, hatten sie eine beklemmende Wirkung.
    Allerdings wirkten sie auch einschläfernd. Mein erschöpfter Körper nahm sich sein Recht. Ich fiel in einen kurzen, bleischweren Schlaf. Daraus erwachte ich infolge eines Rippenstoßes.
    „Spitze die Ohren, Vater!“, flüsterte Odo. „Hörst du etwas?“
    Im ersten Augenblick nahm ich nichts weiter wahr als vorher. Das Knarren der Balken. Das Pfeifen des Windes. Das Johlen der Spieler. Den dumpfen Gesang.
    „Was meinst du denn?“, fragte ich leise.
    „Die heisere Nachtigall!“
    „Athanasius?“
    „Und noch etwas anderes …“
    Ich lauschte angestrengt. Tatsächlich. Vom Wind herübergetragen erhob sich die dünne, kreischende, klagende Stimme über alle anderen Töne und Geräusche. Im nächsten Augenblick war sie fortgeweht und der Chorgesang im Saalhaus schwoll wieder an. Das rohe Lachen der Spieler krachte dazwischen. Wieder folgte ein Windstoß, so stark, dass er die Stimme des Athanasius zu einem Jaulen verzerrte.
    Und jetzt hörte ich es ganz deutlich. Axtschläge!
    „Unmöglich!“, murmelte ich.
    „Warum unmöglich?“, raunte Odo. „Saxnot hat einen neuen Helfer gefunden. Ich habe den Eindruck, der Kerl versteht seine Sache. Und er scheint sich auch zu beeilen. Der Wind kommt von Westen,

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