Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
auch ihn zu binden und zu knebeln.
Mit groben Stößen trieben sie uns den Hügel hinunter. Drohungen und wilde Flüche gellten in unseren Ohren.
„Mörder! Räuber! Betrüger! Frankengesindel!“
Unter Hohngelächter wurde der Ledersack mit unseren Kodizes und Schriftrollen ausgeleert. Flüchtig bemerkten wir, als wir vorübergeführt wurden, wie Volz und Gozbert inmitten einer Traube von Männern gegeneinander heftige Reden führten. Vielleicht war Gozbert mit diesem Verfahren nicht einverstanden. Trotzdem zerrten die Leute des Volz uns weiter. Die Versammlung löste sich auf, alles strebte dem Salhof zu.
Als ich mich beim Verlassen des Dingplatzes noch einmal umblickte, sah ich die beiden leeren Stühle auf dem Hügel und unten am Ring nur noch einen, den man vergessen hatte: Erk. Seine Bewacher waren zu denen beordert worden, die uns fortschleppen mussten.
Mit gefesselten Händen, wuchtig und reglos stand der einsame Riese da.
Auf dem Salhof wurden Odo und ich in eine Grubenhütte gestoßen, die auch noch ein paar Ziegen als Unterkunft diente. Die Tiere drängten sich scheu in die Ecken. Nun wurden uns auch die Füße gefesselt, sodass wir nach einer Weile gezwungen waren, uns auf dem feuchten, schmutzigen, stinkenden Stroh niederzulassen. Draußen lungerten drei oder vier Wächter, die sich bald hinhockten und zu würfeln begannen.
Der Stall lag dem Herrenhaus gegenüber, und wir konnten durch das offene Türloch beobachten, was dort vor sich ging. Während des restlichen Tages herrschte ein unaufhörliches Kommen und Gehen. In der Vorhalle mit den geschnitzten Pfeilern waren sämtliche Bänke besetzt. Die Ereignisse wurden lebhaft besprochen. Alle Augenblicke steigerte sich das Stimmengewirr zu wildem Geschrei und röhrendem Gelächter.
Drinnen waren die wichtigen Männer versammelt und dort ging es um unser Schicksal. So viel jedenfalls konnten wir einzelnen, zu uns herüber dringenden Gesprächsfetzen aus der Vorhalle entnehmen, auch dieser und jener Bemerkung unserer Wächter. Offenbar war man uneins, ob man uns als Vertreter des Königs behandeln sollte, die sich vergangen hatten, oder einfach nur als Betrüger mit angemaßter Amtswürde. Zu der ersten Ansicht schien Gozbert, zu der zweiten Volz zu neigen. Auch in der Frage, ob man uns vor das Grafschaftsgericht stellen oder unter Bewachung nach der Pfalz zur Verurteilung durch das Hofgericht schicken sollte, gab es anscheinend keine Einigung. Diese zweite Frage zu entscheiden hing natürlich davon ab, wie man die erste beantwortete. Doch lange Zeit konnte sich keine der beiden Ansichten durchsetzen. Die Betroffenen selbst zu befragen, fiel niemandem ein. Nur ab und zu steckte einer der Liudolfs und Liudgers den Kopf herein und beäugte uns, wie wir so elend auf dem Stroh lagen. Auch andere Leute vom Salhof drängten sich grinsend und plappernd vor dem Türloch. Volz und Gozbert ließen sich nicht blicken.
Erst als die Sonne schon tief stand, sah ich Herrn Gozbert mit seinem Gefolge aus dem Saalhaus treten. Er wirkte verstimmt und stieß Flüche aus. Man brachte sein Pferd, er saß auf und im nächsten Augenblick war der Trupp zum Tor hinaus. Etwas später hörten wir dann ein Gespräch zwischen zwei Wächtern
„Wer wird jetzt eigentlich das Pferd bekommen?“
„Du meinst den Grauschimmel? Schönes Tier. Den nimmt sich der Graf. Wer sonst?“
„Vielleicht haben sie den einem anderen Grafen gestohlen.“
„Glaubst du denn auch, dass sie Räuber sind?“
„Sicher sein kann man nicht. Aber weshalb hätten sie sonst den alten Umm ermordet? Es heißt ja, er hat einen Schatz vergraben.“
„Denkst du etwa, er hätte ihnen die Stelle verraten?“
„Vielleicht wollten sie auch die Schwarzröcke rächen. Wen kümmert es noch? Auf jeden Fall werden sie morgen ins Moor geworfen.“
„Vielleicht ist es besser so. Sind sie eben gar nicht hier angekommen. Sonst gibt es ihretwegen nur wieder Ärger mit den Franken.“
Etwas später stieg einer der Wächter mit einem Krug Bier die zwei Stufen herab. Er nahm uns die Knebel aus dem Mund.
„Trinkt! Das gibt es heute zum letzten Mal. Was ihr morgen zu saufen bekommt, wird euch nicht schmecken.“
Er schüttete jedem von uns so viel Bier in den Hals, dass wir ihn schließlich spuckend und kopfschüttelnd abwehren mussten. Er lachte und ging wieder hinaus, wobei er zum Glück die Knebel vergaß.
„Ich glaube, der Bursche irrt“, knurrte Odo. „Verglichen mit diesem Bier muss Moorwasser köstlich
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