Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

unmittelbar nach dem Fall der Eiche befreien konnte. Ich erinnerte mich daran, wie sich Odo im Ring verstohlen gebückt hatte, wohl um die Waffe in seinen Stiefel zu stecken. Schließlich fielen mir seine bitteren Worte ein, dass man Leuten wie Volz mit einem Gerichtsverfahren nichts anhaben könne. Solche wie der kämen immer davon. So war es, so sei es, so würde es bleiben.
    Ich musste das einsehen und sage dazu nichts mehr. Es gibt Dinge, die man besser im Dunkeln lässt.
    Nun, mein lieber Volbertus, will ich die Feder aus der Hand legen. Das Pergament ist kostbar und teuer, obwohl wir zur Zeit davon keinen Mangel haben. Ein Kaufmann wie Ratbold kann alles beschaffen. Er hat uns in dieser analphabetischen Gegend sogar zwei Schreiber besorgt, die Rouhfaz und mir beim Abfassen von Briefen, Urkunden und Gerichtsprotokollen helfen.
    So fand ich Zeit, für Dich und die anderen Brüder diese Geschichte aufzuschreiben, damit Ihr in Euerm abgeschiedenen Klosterdasein etwas davon erfahrt, wie es in der Welt zugeht.
    Ich glaube, jetzt macht sich der Wind auf, der uns weiterträgt. Vorhin kam Odo angaloppiert. Er trat ganz aufgeregt an meinen Tisch.
    „Nur weg von hier, Vater, möglichst noch heute! Weißt du, was mir die Edelgans vorschlägt? Dass ich mich um das Amt des Grafen bewerbe. Aber vorher soll ich sie heiraten. Sie hat noch, meint sie, genug Einfluss bei Hofe und kann meine Bewerbung durchsetzen. Was sagst du dazu?“
    „Ist das nicht wunderbar?“, erwiderte ich spöttisch. „Eine Grafschaft für dich?“
    „Aber nicht diesen breit getretenen Misthaufen.“
    „Es ist doch dein größter Wunsch …“
    „Mein zweitgrößter. Der größte ist, mit meiner geliebten Rotrud vereint zu sein. Sie wartet voller Sehnsucht auf mich … soll ich sie enttäuschen? Wenn wir erst glücklich vereint sind …“
    „Odo …“
    „Ja, ja, der Alte ist dagegen. Vielleicht hofft er sogar, dass es mich hier draußen erwischt hat. Aber ich habe einen Plan. Wenn wir in Ingelheim ankommen, wird er schon in den Ardennen zur Jagd sein. Natürlich wie immer mit Familie. Ich werde der Jagdgesellschaft folgen und allen von unseren Taten erzählen. Das wird ihm natürlich zugetragen und wenn ich mich dann um Rotrud bewerbe, wird er mich nicht abweisen können. Rotrud hilft mir mit ihren Tränen und die Liebe wird siegen. Nur die Brautgeschenke kann ich erst liefern, wenn ich die Grafschaft habe. Natürlich eine, die etwas hergibt. Das wird er einsehen müssen. Auch du, mein Freund, wirst nicht leer ausgehen, verlass dich auf mich, dafür sorge ich schon.“
    „Und wenn er trotz deiner Taten die Werbung nicht annimmt? Es gibt Gerüchte …“
    „Ja, ich habe auch gehört, dass sich ein gewisser Rorico von Maine an sie herandrängt. Doch keine Sorge, das ist nur ein überzüchteter Jämmerling, den steche ich aus. Das einzige Hindernis könnte ihr zartes Alter sein, du hast ja schon selbst darauf hingewiesen. Nun, dann muss ich eben noch ein Jahr warten – und wir beide gehen noch einmal auf Reisen. Wir sind ja auch ein schönes Paar!“
    Da lachten wir laut und wir umarmten uns.
    Ich wünsche Dir Wohlergehen, mein Teurer, Gott sei mit Euch allen. Auch mir geht es gut, trotz der vielen Kniffe und Püffe, die ich hier abbekommen habe. Bald hörst du wieder von mir.
    Leb wohl!

Dramatis personae
    Im Laufe der Handlung auftretende oder namentlich erwähnte Personen
    Odo , Vasall König Karls des Großen (Königsbote)
    Lupus , Mönch und Diakon (Königsbote)
    Volz , Graf in einem sächsischen Gau
    Gozbert , fränkischer Adeliger, Vasall des Königs
    Frodegard , seine Schwester, Grundherrin
    Hatto , Gefolgsmann des Grafen
    Nelda , seine Tochter
    Bertmund, Friling (freier sächsischer Bauer)
    Wig , sein älterer Sohn, Priester
    Erk , sein jüngerer Sohn, im Dienste des Hatto
    Umm , ein Verbannter, ehemals Gauvorsteher
    Ratbold , ein Kaufmann
    In der Herberge:
    Bozo , Wirt und Fährmann
    Bozos Frau
    Tullius , ein Gaukler
    Auf dem Salhof:
    Helko , ein Gefolgsmann des Grafen
    Wrach , ein alter Bauer
    Der Schieler
    Buto , Gefolgsmann, Würfelspieler
    Ein junger Bauer
    Die Mönche:
    Theofried
    Athanasius , genannt „Nasio“
    Im Gefolge der Königsboten:
    Rouhfaz , Diener und Schreiber
    Fulk , Anführer des Schutztrupps
    Drei Männer des Schutztrupps
    Und die animalischen Reiseteilnehmer:
    Impetus , ein Grauschimmel
    Grisel , ein Esel

Glossar
    Ad vicem nostram
    (lat.) an Unserer Stelle
    Allod
    (ahd.) vererbbares Eigentum
    Allodbauern
    freie