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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Dich noch an unsere erste Begegnung eines Abends im Casino? Du warst siebzehn und hinreißend schön. Schon am nächsten Tag warst Du mein. Du hast mir so reizend gesagt, daß Du mich liebtest und daß ich der erste sei. Armes kleines Mädchen, wie hast Du gelogen! Heimlich hast Du über meine Naivität gelacht – dabei gab es gar nichts zu lachen! Seit unserm ersten Kuß habe ich diesen Augenblick vorausgesehen.
    Aber gib acht, Simone. Ich bin schwach genug, Dir genau aufzeigen zu wollen, was Du aus mir gemacht hast. Vielleicht wird es Dir ein wenig leid tun. Aber nein – wenn Du je etwas bereuen könntest, wärst Du nicht mehr Simone.
    Vor zehn Jahren, am Vorabend des Krieges, war ich reich – nicht so reich wie Dein Amerikaner, aber reich genug, um Dir das Leben zu bieten, das Du brauchtest. Vor dem Krieg warst Du noch nicht so anspruchsvoll, Simone – wer hat Dir in meiner Abwesenheit den Geschmack am Luxus beigebracht? Es war doch sehr diskret von mir, Dich nie danach zu fragen! Nun denn, ein großer Teil meines Vermögens war in Rußland und Deutschland angelegt, und so habe ich mehr als drei Viertel davon verloren. Was mir in Frankreich noch geblieben war, verlor erheblich an Wert. Natürlich hatte ich mein Gehalt als Hauptmann in der britischen Armee, aber Du weißt, das war nicht die Welt. Noch ehe der Krieg zu Ende war, hattest Du alle meine Ersparnisse aufgezehrt. Es war heller Wahnsinn. Ein junger Mann, der drei Viertel seines Einkommens verloren hat, hält sich keine Maitresse mehr und kein Appartement in der Avenue Kléber. Entweder gibt er Madame auf, oder er bittet sie um ein wenig Selbstbeschränkung. Ich aber wagte nicht, um etwas zu bitten. Denn wäre ich eines Tages zu Dir gekommen und hätte gesagt: ›Simone, ich bin arm‹ – was hättest Du geantwortet?
    Weißt Du, was ich getan habe? Nein – Du wärst nie auf den Gedanken gekommen, zu fragen, woher das Geld kam. Was hätte es Dich gekümmert, daß ich alles weggeworfen habe – mein Geld, meine Ehre, mein Glück –, nur um Dich zu behalten? Ich habe gespielt, verzweifelt und rücksichtslos. Schlimmer noch, ich habe beim Spiel betrogen! Ich sehe Dich mit den Achseln zucken – du lachst – du sagst: ›Na, na, das war aber unartig!‹ O ja, aber so etwas tut man nicht. Man hätte mich aus dem Regiment ausgestoßen. Ich war so tief gesunken, wie man tiefer nicht mehr sinken kann.
    Außerdem konnte das nicht lange gutgehen. Eines Abends hat man mir in Paris schon eine sehr unschöne Szene gemacht, obwohl man mir nichts beweisen konnte. Daraufhin habe ich mich dann mit dieser jungen Dame verlobt, von der ich Dir erzählt habe, der Tochter des englischen Herzogs. Ein schöner Plan, was? Meine Maitresse mit dem Geld meiner Frau auszuhalten! Und ich hätte es getan – ich täte es noch morgen, wenn ich Dich damit zurückgewinnen könnte.
    Aber nun hast Du mich verlassen. Dieser Amerikaner ist reich – steinreich. Schon lange liegst Du mir in den Ohren, daß Dein Appartement zu klein sei und Du Dich zu Tode langweilst. Dein ›wohlwollender Freund‹ bietet Dir Autos und Edelsteine, tausendundeine Nacht, den Mond! Bitte, was sind gegenüber solchen Herrlichkeiten schon Liebe und Ehre!
    Nun, zum Glück ist der gute Herzog von einer Dummheit, die mir sehr gelegen kommt. Er läßt seinen Revolver in der Schreibtischschublade herumliegen. Außerdem war er vorhin hier und wollte von mir eine Erklärung über die Kartenspielerei haben. Du siehst, das Spiel war in jedem Falle aus. Warum sollte ich Dir böse sein? Man wird meinen Selbstmord mit dieser Bloßstellung begründen. Um so besser. Ich möchte nicht, daß man meine Liebesangelegenheiten in den Zeitungen breittritt.
    Lebe wohl, meine Liebste – mein Alles, mein Alles, meine Simone! Sei glücklich mit Deinem neuen Geliebten. Denke nicht mehr an mich. Was geht Dich das überhaupt alles an? Mein Gott – wie ich Dich geliebt habe – wie ich Dich noch immer liebe, trotz allem! Aber das ist nun zu Ende. Du wirst mir nie mehr das Herz durchbohren. Ich bin rasend – ich bin wahnsinnig vor Schmerz! Lebe wohl.«

Das Plädoyer der Verteidigung
    »Niemand ... ich selbst ... leb wohl!«
Othello
    Nach der Verlesung von Cathcarts Brief konnte selbst der Auftritt des Angeklagten im Zeugenstand nur noch enttäuschen. Im Kreuzverhör durch den Ankläger blieb er beharrlich dabei, daß er stundenlang im Moor herumgewandert sei, ohne einer Menschenseele zu begegnen, obschon er zugeben mußte, daß er

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