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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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schon um halb zwölf und nicht, wie er in der Untersuchungsverhandlung gesagt hatte, erst um halb drei nach unten gegangen war. Sir Wigmore Wrinching stellte diesen Punkt groß heraus und setzte Denver in dem verzweifelten Bemühen, nachzuweisen, daß Cathcart ihn erpreßt habe, so hart mit seinen Fragen zu, daß Sir Impey Biggs, Mr. Murbles, Lady Mary und Bunter das mulmige Gefühl hatten, des Anklägers Blicke drängen durch die Wände in jenes Nebenzimmer, wo getrennt von den übrigen Zeugen Mrs. Grimethorpe saß und wartete. Nach der Mittagspause erhob sich Sir Impey Biggs, um das Plädoyer der Verteidigung zu halten.
    »Meine Lords – Eure Lordschaften haben nun gehört – und ich, der ich während dieser drei schweren Tage hier dabei war und plädiert habe, weiß, mit welch wachem Interesse und stetem Mitgefühl Sie zugehört haben –, was mein edler Mandant hier vorgebracht hat, um sich gegen den schrecklichen Vorwurf des Mordes zu verteidigen. Sie haben gehört, wie der Tote selbst, gleichsam aus seinem engen Grab, seine Stimme erhoben hat, um Ihnen die Geschichte jener schicksalhaften Nacht des 13. Oktober zu erzählen, und ich bin sicher, Sie hegen in Ihren Herzen keinen Zweifel an der Wahrheit dieser Geschichte. Wie Eure Lordschaften wissen, war mir der Inhalt dieses Briefes völlig unbekannt, bis ich ihn soeben vor Gericht verlesen hörte, und an seiner tiefen Wirkung auf mich selbst kann ich ermessen, wie ungemein schmerzlich er Eure Lordschaften berührt haben muß. In meiner langen Erfahrung als Strafverteidiger habe ich, wie ich glaube, noch nie eine melancholischere Geschichte vernommen als die Geschichte dieses jungen Mannes, den eine tödliche Leidenschaft – denn hier dürfen wir dieses abgenutzte Wort einmal wirklich in seiner vollen Bedeutung gebrauchen – den eine wahrhaft tödliche Leidenschaft in eine Erniedrigung nach der andern und schließlich in den gewaltsamen Tod von eigner Hand trieb.
    Der edle Peer auf der Anklagebank wurde vor Ihnen, meine Lords, des Mordes an diesem jungen Mann bezichtigt. Daß er dieses Verbrechens nicht schuldig ist, muß Euren Lordschaften im Lichte dessen, was wir gehört haben, so klar sein, daß jedes weitere Wort von mir überflüssig erscheinen möchte.
    In der Mehrzahl der Fälle dieser Art ist die Beweislage wirr und widersprüchlich; hier aber ist der Gang der Ereignisse so klar und in sich geschlossen, daß wir, wenn wir dabeigewesen wären und das Drama vor unsern eigenen Augen wie vor dem alles sehenden Auge Gottes hätten ablaufen sehen, kaum eine lebendigere und genauere Vorstellung von den Begebenheiten jener Nacht haben könnten. Ja, wäre Denis Cathcarts Tod das einzige Ereignis dieser Nacht gewesen, ich möchte sogar behaupten, daß die Wahrheit auch nicht einen Augenblick in Zweifel hätte stehen können. Da jedoch infolge einer Kette unerhörter Zufälle die Geschichte des Denis Cathcart mit so vielen anderen Geschehnissen verwoben wurde, will ich sie nun noch einmal von Anfang an erzählen, damit im Nebel so vieler Indizien auch nicht ein einziger Punkt im dunkeln bleibt.
    Lassen Sie mich also noch einmal an den Anfang zurückkehren. Sie haben gehört, daß Denis Cathcart aus einer Mischehe stammt – aus der Vereinigung einer jungen, hübschen Südländerin mit einem Engländer, der zwanzig Jahre älter war als sie: herrisch, leidenschaftlich und zynisch. Bis zum Alter von achtzehn Jahren lebt er mit seinen Eltern auf dem Kontinent, reist von Ort zu Ort, bekommt mehr von der Welt zu sehen als selbst ein durchschnittlicher junger Franzose seines Alters und erlernt den Kodex der Liebe in einem Land, wo das crime passionel verstanden und verziehen wird, wie es hierzulande niemals möglich wäre.
    Mit achtzehn Jahren erleidet er einen furchtbaren Verlust. In sehr kurzen Zeitabständen verliert er beide Eltern – seine schöne, angebetete Mutter und seinen Vater, der es, wenn er am Leben geblieben wäre, vielleicht verstanden hätte, diesen ungestümen jungen Mann zu leiten, den er da in die Welt gesetzt hatte. Doch der Vater stirbt, nachdem er zwei letzte Wünsche geäußert hat, die sich beide, so natürlich sie sonst waren, unter den gegebenen Umständen als verhängnisvoll unklug erwiesen. Er gab den Sohn in die Obhut seiner Schwester, die er viele Jahre nicht gesehen hatte, und verfügte, daß der Junge auf seine eigene alte Universität geschickt werden solle.
    Meine Lords, Sie haben Miss Lydia Cathcart gesehen und ihre Aussage

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