Sayuri
Gelegenheit zu geben, Kiyoshi zu befreien.
Verdammt! Warum hatten sie sie nicht geweckt? Warum hatten sie Marje nicht eingeweiht?
Sie sprang auf. Sie musste so schnell wie möglich zu ihnen hinüber. Sie wollte sich gerade in Bewegung setzen, als ihr klar wurde, dass das Grollen noch immer das Tal erfüllte. Doch es kam nicht etwa von Yuuka. Dort, wo die Raubkatze eben noch gesessen hatte, sah Marje nur Sand und Geröll.
Das Donnern kam von weiter unten. Und es wurde lauter und lauter, bis es zu einem Brüllen anschwoll.
Marjes Blick raste hinunter zum Lager. Ein Teil des Hangs war ins Rutschen gekommen, erst langsam, dann immer schneller. Sand rann in die offenen Löcher, die zum Eingang der Mine führten.
Söldner schrien und Essjiar wie Lasttiere rannten in Panik davon, als in der Mitte des Tals ein Riss im staubigen Wüstensand erschien, der immer länger und breiter wurde.
Fassungslos starrte Marje auf das, was vor ihren Augen passierte. Ihre Gedanken faserten auseinander, versuchten zu begreifen und langsam wurde ihr klar, dass dort unten im Tal die Welt unterging.
Die Mine, in der sich Kiyoshi befand, war drauf und dran, einzustürzen.
Sayuri rappelte sich müde auf, als Yuuka sich ihnen mit langen Sprüngen näherte. In ihren Gliedern spürte sie noch immer diese merkwürdige Erschöpfung, die sie so fest in ihrer Umklammerung hielt, dass sie sich kaum rühren konnte.
Noch war Sayuri nicht lange wach – oder sie glaubte es zumindest. Sie konnte ihre Augen nicht länger als ein paar Augenblicke offen halten.
»Marje?«, flüsterte sie und tastete mit der Hand neben sich. Doch vergeblich. Marje schien schon aufgestanden zu sein.
»Mach dir keine Sorgen, Sayuri.« Das war die Stimme von Suieen. »Du bist bei mir in Sicherheit.« Dankbar ließ sie ihren Kopf wieder sinken. Sie musste nur noch einen Moment ausruhen, dann ging es ihr wieder besser. Wenn dieses Donnern nur nachlassen würde …
Sayuri riss ihre Augen krampfhaft auf. Das Donnern war gar nicht in ihrem Kopf! Das Grollen schien tief unten aus der Erde zu kommen.
»Marje«, rief sie angstvoll und spürte, wie Suieens warme Hand sich in die ihre schob.
Dort drüben – war das die Wiljar? Sayuri erkannte im Licht der Sonne, die erbarmungslos auf sie niederbrannte, nur verschwommen ihre Raubtiergestalt.
Doch ja, es war tatsächlich Suieens Gefährtin, die nun direkt vor ihnen saß.
»Die Minen stürzen ein!«, hörte sie die Wiljar rufen. Aber etwas stimmte nicht mit ihrer Stimme, Sayuri verstand nur Bruchstücke. »Die Lasttiere … wie geplant … aber … Hang eingestürzt. Stollen … Belastung. Nicht standgehalten. Verschüttet … Riss … über Grenzen des Tals.«
Die Worte fanden nur langsam ihren Weg zu Sayuri, doch irgendwann begriff sie, was Yuuka da sagte. Mühsam stützte sie sich auf die Ellenbogen, dann kam sie zum Sitzen. Sie rieb sich die Augen. Wenn dieses Blitzen doch nur verschwinden würde. Sie musste nur für einen Augenblick einen klaren Gedanken … Sie musste sich … Sie konnte doch jetzt nicht … Was war nur mit ihr …
»Sayuri, du musst hier auf uns warten.« Das war Suieen. Oder etwa nicht? »Rühr dich nicht von der Stelle, bis wir wiederkommen. Yuuka und ich sehen, ob wir helfen können.«
Sayuri nickte. Sie sollte also hierbleiben. Warum, das war ihr plötzlich nicht mehr klar. Aber war das nicht auch egal? Sie rollte sich auf dem Sandboden ein. Nicht von der Stelle rühren, das klang gut. Ein warmes Gefühl breitete sich plötzlich in ihr aus. Sie konnte sich nicht entsinnen, je so müde gewesen zu sein. Nur wenn sie krank war, hatte sie viel Schlaf gebraucht. Dann hatte Marje an ihrem Bett gesessen und ihr Geschichten erzählt.
Marje, dachte sie schläfrig, schreckte dann aber hoch. Marje! Suieen hatte ihr gar nicht gesagt, wo Marje war!
Verzweifelt riss sie die Augen auf und sah sich um. Suieen und Yuuka waren verschwunden. Um sie herum breitete sich die endlose Wüste aus. Von Marje fehlte jede Spur.
Sayuri kämpfte sich hoch. Etwas nagte in ihrer Erinnerung, ein Bewusstsein einer drohenden Gefahr. Wohin hatten Yuuka und Suieen noch einmal gewollt? Sie hatte es vergessen. Aber sie musste sich erinnern, es war wichtig!
Langsam setzte sie sich in Bewegung. Jeder Schritt kam ihr so vor, als würden Bleigewichte an den Füßen hängen. Der Hang dort drüben. Irgendetwas sagte ihr, dass sie dort hinaufmusste.
Marje , rief sie. Vage erinnerte sie sich, was Suieen ihr beigebracht hatte, diese neue
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