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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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zurückbleiben.
    Kiyoshi zählte leise mit, und als er bei vierzehn angekommen war, wisperte es auch schon aus der Dunkelheit: »Ich bin der Letzte. Komm!«
    Kiyoshi tastete nach seinem Vordermann und zwängte sich nach ihm in den schmalen Spalt.
    Die Luft war von Staub erfüllt und er hatte einen metallischen Geschmack auf der Zunge. Kiyoshi versuchte, ruhig zu atmen. Wie durch ein Wunder schien der Gang verschont geblieben zu sein, doch auch hier waren kleine Steine aus der Wand herausgebrochen und schnitten Kiyoshi empfindlich in die Knie. Der Gedanke, dass es jederzeit einen neuen Stoß geben und er von gewaltigen Gesteinsmassen begraben werden konnte, nahm ihm fast die Luft.
    Eine unheimliche Spannung schien unter der Erde zu liegen, die fast schlimmer war als das Donnern und Krachen von vorhin. Um ihn herum herrschte tiefste Finsternis, doch Kiyoshi hielt die Augen weit offen, in der ständigen Hoffnung, einen Lichtfunken zu erspähen.
    Als kleines Kind hatte er die Nächte gefürchtet, an denen die Monde nicht am Himmel gestanden hatten, allerdings waren immer die Sterne da gewesen, die mit ihrem Schein die Welt erhellten. Im Garten hatten Lampions gebrannt und jeder Diener hatte eine Fackel bei sich getragen.
    Nimm dich zusammen, versuchte er sich selbst zu ermahnen. Dich jetzt an zu Hause zu erinnern, hilft nicht gerade weiter!
    Entschlossen biss er die Zähne zusammen. Ein scharfkantiger Gesteinsvorsprung schabte über seine Schulterblätter und riss ihm die Haut auf. Der Schmerz war ihm beinahe willkommen, wurde er durch ihn doch zurück in die Wirklichkeit gezwungen.
    Und dann – endlich hob sich die Decke über ihm und Kiyoshi sog gierig die abgestandene Luft des Hauptstollens ein. Dann sah er auch schon den Schein der Lampen, zwängte sich durch das letzte Stück des Schachtes und kam stolpernd auf die Füße. Im breiten Stollen konnte er aufrecht stehen und seine schmerzenden Muskeln dehnen.
    Seine Mitgefangenen hatten auf ihn gewartet. Jetzt erst sah er, wer mit ihm im Schacht gewesen war. Verängstigte Augenpaare, Jungen wie Mädchen, blickten ihm aus schmutzig verstaubten Gesichtern entgegen. Zwei von ihnen waren etwas älter als er, die anderen mussten jünger sein. Vermutlich hatten sie die Kinder ausgewählt, weil sie am schmalsten waren. Die Kleinste von ihnen mochte vielleicht gerade mal acht Jahre alt sein.
    Mit verweinten Augen klammerte sie sich an Thesus Arm und hielt ihren Blick starr auf das flackernde Licht der Lampe gerichtet.
    Kiyoshi schluckte schwer.
    »Jemand verletzt?«, fragte er schließlich.
    Stumm blickten sich die Gefangenen an, dann schüttelten sie den Kopf. Nur einer der älteren musterte ihn misstrauisch.
    »In Ordnung«, sagte Kiyoshi, ohne den Blick zu beachten, und sah in die Runde. »Was haltet ihr dann davon, wenn wir schleunigst verschwinden? Mich hält jedenfalls nichts mehr hier unten.« Thesu leuchtete mit seiner Lampe in den Gang. »Im wahrsten Sinn des Wortes«, knurrte er. »Wo sind die alle?«
    Kiyoshi zuckte zusammen. Er wusste genau, was der Junge meinte. Der Schacht war menschenleer! Wo waren die Söldner? Wo waren all die Wachen?
    »Kommt!«, flüsterte er alarmiert. »Wir dürfen nicht länger warten. Nehmt euch ein paar Lampen von den Wänden.«
    Hastig setzte der Zug sich in Bewegung. Auf den ersten Blick hatte sich hier nichts verändert. Die Wände schienen dem Druck der Sandmassen über ihnen standzuhalten. Nur die Söldner fehlten. Überhaupt war es im Stollen totenstill, nur ihre Schritte hallten dumpf von den Wänden wider.
    Kiyoshi ging als Letzter. Er kam langsamer voran als die anderen, weil er das kleine Mädchen mit dem verängstigten Blick an die Hand genommen hatte. Sie schluchzte und weinte und er konnte es ihr nachfühlen. Bei Turu, die Kleine war viel zu jung, um so etwas hier durchzumachen!
    Behutsam half er ihr weiter. »Hab keine Angst«, raunte er ihr zu. »Wir finden einen Weg.« Stumm wiederholte er die Worte, als könnte er damit die Götter beschwören, seinen Wunsch zu erhören.
    Thesu hatte unterdessen wieder die Führung übernommen. Das Licht seiner Lampe warf bizarre Schatten an die Wände, verzerrt von Felsvorsprüngen und den hin und her schaukelnden Lampen. Plötzlich blieb er stehen und hob die Lampe über seinen Kopf. Ein paar Flüche ertönten, jemand brach in lautes Schluchzen aus.
    Hastig lief Kiyoshi an den anderen vorbei nach vorne und hielt dann ebenfalls erstarrt inne. »Endstation«, murmelte er leise.
    Und so

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