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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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war es. Der Weg vor ihnen war eingestürzt. Sand war durch die Felsspalten gerieselt und hatte den Stollen fast bis unter die Decke gefüllt.
    »Wir stecken fest«, murmelte ein Junge. Sein Gesicht war staubverkrustet, nur seine Augen leuchteten hell in dem Schmutz.
    Kiyoshi musste ihm zustimmen. Selbst wenn sie versuchten, den Sand abzutragen, würde nur noch mehr von oben nachrutschen. Wahrscheinlich war der ganze Stollengang dahinter zugeschüttet.
    »Es muss einen anderen Weg geben!«, sagte Kiyoshi, drehte sich um und ging zurück, bis er nicht einmal mehr die eigene Hand vor Augen sehen konnte. »Ich brauche Licht hier«, rief er. Er blieb stehen und wartete, bis die anderen zu ihm aufgeschlossen hatten. Die Gruppe war jetzt spürbar unruhig.
    »Wir versuchen es einfach in der anderen Richtung.«
    Er versuchte, Optimismus in seine Stimme zu legen, und fragte sich im gleichen Moment, wen er hier eigentlich aufmuntern wollte. Er hatte doch keine Ahnung, was in der anderen Richtung liegen mochte!
    Eine Kreuzung lag in dieser Richtung, das stellte sich schnell heraus, nachdem sie den Spalt passiert hatten, in dem sie gearbeitet hatten. Der Hauptstollen teilte sich.
    »Der da ist es«, sagte einer der beiden älteren Jungen und deutete aufgeregt nach rechts. »Ich erinnere mich! Dort drüben habe ich einmal gearbeitet – und am Abend haben wir einen anderen Ausgang als sonst genommen!«
    Kiyoshi nickte.
    »Wie heißt du?«, fragte er.
    »Hitomi«, erwiderte der Junge.
    Kiyoshi versuchte ein Lächeln. »Kannst du uns hier rausführen, Hitomi?«, fragte er.
    »Ich werde es versuchen.« Die Antwort kam prompt.
    Neue Zuversicht machte sich breit und sie kamen gut voran. Nur das kleine Mädchen, das Kiyoshis Hand krampfhaft umklammert hielt, weinte noch immer. Irgendwann kniete er sich nieder und nahm sie auf den Arm. Sie war so mager – er würde ihr Fliegengewicht schon bis nach oben tragen können.
    An der nächsten Weggabelung geriet der Trupp abermals ins Stocken. Einer von ihnen fragte: »Und jetzt?«
    Hitomi schien unsicher zu sein. Zögernd ging er einige Schritte in den rechten Gang, kam jedoch gleich wieder zurück und schaute stirnrunzelnd auf die linke Seite. Ein kleinerer Junge, höchstens zwölf Jahre alt, schob sich mit seinem Licht an Kiyoshi vorbei und lief den Gang ein Stück entlang. »Hier geht es wieder hinauf«, rief er.
    Kiyoshi schaute fragend von einem zum anderen. Noch immer schien Hitomi unschlüssig, aber schließlich nickte er. »Vielleicht hat Calion recht«, sagte er in Richtung des Zwölfjährigen.
    Jetzt schob sich von hinten ein großer Junge durch die Gruppe nach vorn. Er überragte Kiyoshi um einen Kopf, war aber viel magerer, was ihm ein absonderliches Aussehen gab. »Blödsinn«, schnaubte er und schwenkte sein Licht. »Calion hat keine Ahnung. Es geht bestimmt rechts entlang«, verkündete er laut.
    Kiyoshi drehte sich zu ihm um. Das Mädchen auf seinem Arm wog doch schwerer, als er gedacht hatte. Nach den Strapazen der letzten Tage verließ ihn langsam die Kraft. »Wir sollten gemeinsam entscheiden«, mahnte er müde.
    Der Lange schüttelte entschieden den Kopf. »Ich gehe rechts. Hier ist der richtige Weg.« Er schickte sich an, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
    »Aber das ist bestimmt nicht richtig!«, wagte Calion einzuwerfen.
    »Glaubst du mir etwa nicht?«, brauste jetzt der Lange auf.
    »Ich weiß, was ich weiß«, konterte der Junge trotzig.
    Ein Raunen ging durch die Gruppe. Kiyoshi sah in die grauen Gesichter. Jeder in der Gruppe war von Kopf bis Fuß mit feinem grauem Staub bedeckt, was ihnen ein gespenstisches Aussehen verlieh.
    »Wir können hier nicht rumstehen und diskutieren«, meldete sich einer zu Wort. In seiner Stimme schrillte Panik. Er lief in den rechten Gang. »Noch so ein Beben und wir alle werden hier lebendig begraben!« Ein Kamerad schloss sich ihm an und zusammen mit dem Langen begannen sie den Aufstieg, ohne sich nach den anderen umzusehen.
    Die Gruppe war nun in heller Aufregung. Fünf andere Gefangene drängten an Kiyoshi vorbei und folgten dem rechten Weg. Selbst ihr bisheriger Führer, Hitomi, schwenkte um.
    Nur ein Mädchen mit wilden Locken, die Kiyoshi ein bisschen an Marje erinnerte, wandte sich nach links.
    In Kiyoshi, der bisher stumm zugesehen hatte, was vor sich ging, kam plötzlich Leben. »Wartet!«, rief er. Seine Stimme war rau und nicht so laut, wie er erwartet hatte. Sie wurde aber von den Wänden zurückgeworfen und brachte die

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