Sayuri
kann. Es ist nicht nur Sayuris Macht oder ihre Magie, die ich nicht verstehe. Es ist mein ganzes Leben.«
Marje schaute ihn fragend an.
»Ich habe es schon als kleines Kind gespürt. Es war, als ob mit mir etwas nicht stimmte. Als ob ich nicht richtig dazugehörte. Aber in den letzten Tagen in der Stadt – da ist es immer schlimmer geworden. Plötzlich kam es mir so vor, als ob mein Leben auf Sand gebaut war. Es fing damit an, dass meine Mutter diesen seltsamen Namen ins Spiel brachte. Silla. Plötzlich war es, als ob da irgendetwas fehlte, ein Stück, das ich kennen müsste. So viele Fragen, die ich stellen wollte, doch keiner, der sie mir beantwortet hat.«
Marje sah ihn mit großen Augen an. »Ich habe meine Eltern auch verloren«, flüsterte sie. »Ich erinnere mich nicht mehr an sie. Aber ich hatte immer Milan.«
Kiyoshi nickte bitter. »Ja, du hattest Milan.«
Marje tastete nach seiner Hand und Kiyoshi griff nach ihr, verzweifelt, wie ein Ertrinkender. Marje suchte seinen Blick. »Die Quelle des Wissens hat von dir gesprochen«, sagte sie langsam. »Ihre Worte waren: Er braucht mich nicht aufzusuchen, um die Antworten auf seine Fragen zu erfahren. Tief in ihm ist die Antwort längst verwurzelt.«
Kiyoshi schwieg. Das Haar fiel ihm über die Stirn, sie konnte sein Gesicht nicht sehen. »Glaubst du das auch?«, fragte er nach einer langen Weile.
Marje nickte. »Ich glaube ganz bestimmt, dass du deine Antworten finden wirst«, sagte sie fest. Plötzlich musste sie lächeln. »Du hast es selbst mal zu mir gesagt: Du musst es nur wollen.«
Kiyoshi lachte und plötzlich klang es befreit. Er ließ sich nach hinten sinken. Ausgestreckt lag er neben ihr, den Blick auf Lauryn gerichtet. Die Monde tauchten sein Gesicht in ihr blaugrünes Licht. »Am Anfang war ich davon überzeugt, dass du mich hasst«, sagte er leise und wandte ihr den Kopf zu.
Marje nickte. Zum ersten Mal dachte sie nicht mehr mit Schuldgefühlen an jene Nacht nach ihrem Einbruch in der Zinade zurück. Es war die Nacht gewesen, als alles angefangen hatte.
Mühsam unterdrückte sie ein Kichern. »Da lagst du nicht ganz falsch. Ich habe dich gehasst«, gab sie ehrlich zu.
»Und jetzt? Jetzt hasst du mich nicht mehr«, sagte Kiyoshi und sie konnte hören, dass in seinen Worten eine Frage mitschwang.
Statt ihm zu antworten, streckte Marje sich vorsichtig neben ihm aus, so nahe, dass sie den Duft seiner Haare riechen konnte. Immer noch behielt sie die Monde im Auge, als könnten sie ihr Antworten auf ihre stummen Fragen geben. »Die Wüste kann einen ganz schön verändern«, murmelte sie leise.
»Sehr«, bestätigte Kiyoshi. Vorsichtig tastete seine Hand nach ihrer und ihre Finger verhakten sich. »Es ist schön, dass du mich nicht mehr hasst.«
Einen Augenblick zögerte sie. Dann sprach sie aus, was ihr schon so lange auf der Seele brannte. »Warum hast du das alles für mich getan?«, fragte sie leise. »Warum hast du mich nicht verraten, mich in Schutz genommen?«
Hilflos schüttelte er den Kopf. »Ich … ich habe dich nie gehasst. Nicht mal nach unserer ersten Begegnung.«
Marje holte tief Luft und ließ sie dann langsam entweichen. »Ich versteh dich nicht«, wiederholte sie zögernd, doch schon während sie die Worte aussprach, war sie sich gar nicht mehr sicher, ob sie auch noch stimmten.
Langsam setzte er sich auf und wandte sich ihr zu. Sein Kopf versperrte ihr die Sicht auf die Sterne. Ihr Blick traf seine Augen, die mehr als ein ganzes Universum widerzuspiegeln schienen. Sie waren dunkel und unergründlich, während ein leises Lächeln wie ein stummes Versprechen in ihnen lag.
Sanft berührte er ihre Wange mit den Fingern, strich über die glatte Haut, so vorsichtig, dass sie kaum mehr als ein leichtes Kribbeln spürte. Atemlos sah sie in die dunklen Augen, die ihr jetzt so nah waren wie nie zuvor. Er zögerte, unsicher, wie sie reagieren würde.
Marjes Hand umschloss seine, hielt sie fest. Die andere ertastete seine Wange, glitt in seinen Nacken und zog ihn zu sich herab.
4. Kapitel
W ehmut stieg in ihr auf, als ihr Blick über das Lager schweifte. Sofort war Suieen bei ihr und ergriff ihre Hand. »Du musst nicht mitkommen«, sagte er noch einmal. Sorge schwang in seiner Stimme mit.
Deutlich konnte sie spüren, dass er Angst davor hatte, sie in eine ihr unbekannte Welt zu entführen. Dass sie diese Welt gar nicht würde erleben können, davon hatte er keine Ahnung.
Gäbe es für sie die Möglichkeit, bei den Shaouran
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