Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
Vom Netzwerk:
leben zu können, hätte der Wiljar ihr die Wahl gelassen.
    Aber das war ausgeschlossen.
    Sie würde Suieen wehtun müssen und sie würde Marje ohne Abschied zurücklassen.
    Aber ihr blieb kein anderer Weg. Wenn sie in die Stadt zurückkehrte, würde der Kaiser sterben. Ihr Vater. Ganz gleich, was der Alte auch gesagt hatte, sie trüge die Schuld an seinem Tod. Und was käme dann? Sie konnte keine Stadt regieren. Was wäre, wenn der Wasserstand weiterhin absank? Dann wären die Menschen in der Stadt zum Tode verurteilt – und nicht nur sie, sondern auch ihre Freunde.
    Nein, das wollte sie nicht. Es blieb ihr nur diese eine Möglichkeit. Und sie hatte sich geschworen, dass Marje sie nicht sterben sehen sollte.
    Suieen war stärker als Marje, er würde leichter damit klarkommen. Sie wusste, dass sie ihm unrecht tat, indem sie den wahren Grund verschwieg, warum sie mit ihm gehen wollte. Er würde vermutlich alles für sie tun und wahrscheinlich könnte sie ihn dazu bringen, mit ihr ans Ende der Welt zu reisen. Sayuri mochte nicht an die Zeit denken, die vor ihnen lag. Mit jedem Tag würde sie schwächer werden, bis sie nicht mehr laufen, sondern nur noch schlafen konnte. Und schließlich würde sie irgendwann nicht mehr aufwachen. Indem sie mit Suieen ging, verdammte sie ihn dazu, bei ihr zu sein, wenn der Tod seine Finger jeden Tag ein Stück weiter nach ihr ausstreckte.
    Yuuka riss sie mit einem leisen Schnurren aus den düsteren Gedanken. Erschrocken blickte sie auf.
    »Wir müssen aufbrechen.« Die Wiljar musterte sie aus gelben Raubtieraugen.
    Sie warf einen letzten Blick auf das Lager, sah Milan vor seinem Zelt in Shios warmes Licht getaucht. Ihre Augen wanderten zur Düne hinauf, auf der Marje und Kiyoshi saßen. Kurz schloss sie die Augen und versuchte, sich nur auf die guten Stimmungen im Lager zu konzentrieren. In dem Wissen, dass sie glücklich waren, wollte sie ihre Freunde zurücklassen.
    Langsam öffnete sie wieder die Augen, drehte sich um und griff mit ihren blassen, schlanken Fingern nach Suieens Hand.
    Als sie den Dünenkamm erreichten, trat ihnen ein Zentaur entgegen, der dort gerade Wache hielt. Beruhigend strich Suieen über Sayuris zitternde Hände. »Wir machen nur einen nächtlichen Ausflug«, sagte er.
    Der Zentaur nickte und ging dann auf seinen Posten zurück.
    Als sie die dunkle Seite der Düne hinabliefen, verschwanden die flackernden Feuer und Lichter des Lagers hinter ihnen. Ein paar mal drehte Sayuri sich um, um sicherzugehen, dass Shio ihnen nicht gefolgt war. Das Irrlicht war den ganzen Tag um sie herumgeschwirrt, als wüsste es von Sayuris Plänen, und sie hatte Sorge, dass er ihr nachkommen könnte.
    Erleichtert atmete sie tief die kühle Nachtluft ein und versuchte, alle Zweifel beiseitezuschieben. Sie hatte festgestellt, dass sie ihre Müdigkeit damit bekämpfen konnte, Wasser in Magie zurückzuformen. Doch um sich über längere Zeit zu stärken, würde sie zu viel Wasser verbrauchen. Und die Quelle des Wissens hatte keinen Zweifel daran gelassen, was passierte, wenn sie hierblieb.
    Sie hörte Suieen erleichtert neben sich aufatmen, als Yuuka plötzlich vor ihnen auftauchte. Sayuri sah sich in der Dunkelheit um. Sie hatten eine weitere Düne erklommen und stiegen nun in ein Tal hinab, in dem zwei dunkle Schatten sich regten. Einen Augenblick brauchte Sayuri, um zu erkennen, was sich dort vor ihnen aus dem Sand erhob.
    Weite Schwingen entfalteten sich lautlos, lange Hälse streckten sich dem sternenübersäten Nachthimmel entgegen und Schnäbel schnappten leise klappernd auf und zu.
    Suieen?, fragte eine krächzende Stimme in ihren Köpfen.
    Suieen begrüßte die beiden Greife mit leisen Worten. Offenbar waren sie alte Freunde.
    Sayuri betrachtete die riesigen Geschöpfe, deren Gefieder im Licht der Monde braungolden schimmerte. Die Federn zogen sich über Kopf und Hals bis zu den Vorderbeinen, während sie am Flügelansatz langsam in weiches Fell übergingen. Die Vorderbeine endeten in breiten Krallen, die sich tief in den Sand bohrten, die Hinterbeine dagegen liefen in den kräftigen Pranken eines Wüstenlöwen aus. Ihre goldgelben Augen musterten Sayuri neugierig.
    Sanft stupste Yuuka sie an. »Sie bringen euch bis an die Grenze der Wüste, so weit, wie sie selbst fliegen können«, erklärte sie leise.
    Sayuri nickte leicht. Einer der beiden Greifen trat auf sie zu und senkte das mächtige Haupt, bis er sie leicht mit dem Schnabel anstoßen konnte. Sayuri, hörte sie ihn ihren

Weitere Kostenlose Bücher