Sayuri
auch wenn er alles darum gegeben hätte, sie in Sicherheit zu wissen, fühlte er plötzlich, wie seine Kräfte zurückkehrten.
»Verräter!«, zischte Rajar aufgebracht, ohne weiter auf Marje zu achten. »Du verrätst den Kaiser und dein Volk, dem du dienen solltest.«
Kiyoshi setzte zu einer Erwiderung an, aber Rajar schnitt ihm das Wort mit einer herrischen Geste ab. »Du hast dich von deiner Familie und den deinen abgewandt. Und Verräter erhalten ihre gerechte Strafe.«
Stumm erwiderte Kiyoshi Rajars Blick. Er spürte, dass Rajar nur darauf wartete, dass er laut protestierte, um ihn dann erneut zum Schweigen bringen zu können. Er kannte seinen alten Freund gut genug, um zu wissen, dass er sich sein Bild von ihm und der Situation gemacht hatte. Er würde sich nicht umstimmen lassen.
Marje griff nach ihrem Dolch, aber Kiyoshi hielt ihn mit einer knappen Handbewegung zurück.
Unter Rajars zornigem Blick richtete er sich auf. Die Wunde in seinem Rücken pochte, aber sie schien nicht so schlimm zu sein, wie er anfangs vermutet hatte.
Kiyoshi sah sich um. Der Kampf im Lager ging sichtlich seinem Ende entgegen. Die Zentauren wichen immer weiter zurück, ebenso wie die wenigen Menschen, die noch kämpfen konnten. Viele schienen in die Wüste geflohen zu sein, in der Hoffnung, sich in den Sandtälern verbergen und sich später in den Wald der Zentauren flüchten zu können. Er hoffte, dass Marjes Anwesenheit hier bedeutete, dass wenigstens Sayuri in Sicherheit war.
Rajar beobachtete ihn aus dunklen Augen. »Du warst mein Freund«, sagte er mit leiser Stimme und Kiyoshi konnte hören, wie verbittert er war.
Kiyoshi schwieg. Wir könnten immer noch Freunde sein, dachte er, aber er sprach es nicht aus. Es war längst zu spät.
»Ich gebe dir eine Chance«, erklärte Rajar und nun war jedes Gefühl aus seiner Stimme verschwunden.
Kiyoshi erwiderte seinen Blick ruhig und entschlossen.
»Du darfst um dein Leben kämpfen!«, fuhr Rajar kühl fort. »Auf diesem Schlachtfeld wird nur einer von uns beiden überleben!« Schwungvoll stieg er aus dem Sattel und übergab die Zügel seines Pferdes dem Soldaten, der immer noch hinter ihm stand. Selbstsicher trat er auf Kiyoshi zu, das Schwert gezogen, bereit zum Kampf.
Kiyoshi sah auf sein eigenes blutbeflecktes Schwert hinab. Der Gedanke, dass er es gegen Rajar führen sollte, in einem Kampf um Leben und Tod, erschien ihm völlig abwegig. Bei den Übungskämpfen waren sie sich immer auf Augenhöhe begegnet. Rajars Kampfkraft gegen Kiyoshis Geschicklichkeit. Jetzt war der Kampf schon entschieden, bevor er begonnen hatte.
»Du kannst nicht kämpfen«, flüsterte Marje ihm zu und Kiyoshi spürte schmerzhaft seine Wunde pochen.
Er umschloss sein Schwert mit der Hand seines gesunden Armes. »Akzeptiert«, sagte er leise zu Rajar und hob das Schwert. Er hatte schon immer mit beiden Händen kämpfen können, wenn auch nicht sehr gut. Zumindest würde er Rajar einige Minuten lang in einen Kampf verwickeln können – einige Minuten, in denen die Zentauren einen Rückzug versuchen konnten.
»Ich werde für dich kämpfen!«, sagte Marje. »Du bist verletzt!«
Trotz seiner verzweifelten Lage musste er lächeln. »Hast du mir vorhin nicht gesagt, dass ich dich nie wieder ausschließen soll?«, fragte er. »Jetzt bist du es, die mich ausschließen will.«
Rajar lachte höhnisch. »Na, brauchen Verräter schon die Hilfe von Taller-Mädchen?«, sagte er mit ätzender Stimme. »Jemand anderen würdest du auch nicht mehr finden.«
Kiyoshi erwiderte seinen Blick ruhig. »Ich will auch niemand anderen finden«, sagte er. Er hob sein Schwert, es zitterte merklich in der Luft. »Ich bin bereit, Rajar. So kannst du Miro später von einem fairen Zweikampf erzählen, richtig?«
»Ihr seid unsere Zeugen!«, rief Rajar und winkte den Soldaten zu, die sofort einen Halbkreis um sie bildeten und Marje in ihre Mitte nahmen. Sie wehrte sich mit Händen und Füßen, doch gegen die Männer hatte sie keine Chance.
Kiyoshi sah in die Runde. Er erkannte einige von den Gesichtern. In manchen Augen konnte er Unsicherheit erkennen; dennoch widersetzte sich niemand Rajars Befehl.
Jetzt erst wurde ihm richtig klar, gegen wen er hier eigentlich die ganze Zeit kämpfte, und er verlor bei diesem Gedanken fast all seinen Mut.
Die Soldaten des Kaisers waren zu seinen Feinden geworden. Ihm war nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich noch als Miros Erbe fühlte, als ein Diener des Kaisers.
Er kämpfte gegen
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