Sayuri
Kiyoshi konnte nicht ausmachen, wie viele es waren, aber sie waren eindeutig in der Überzahl.
Dann fiel sein Blick auf den Fahnenträger und sein Herz wurde schwer. Er kannte das Zeichen auf der Standarte. Wie gut er es kannte! Es war der Trupp seines besten Freundes Rajar.
Marjes Hand tastete nach seiner. Er drehte sich zu ihr. Eine stumme Frage lag in ihren Augen. Mit beiden Händen umfasste er ihr Gesicht. »Versprich mir eins«, sagte er leise. »Such nach Sayuri. Und dann flieh, solange du noch kannst.«
Marje schüttelte den Kopf. Ihr Blick hatte sich in seinen verhakt, ließ ihn nicht los. »Sayuri hat Suieen«, sagte sie. »Aber du …«, sie stockte, »… Kiyoshi, ich werde dich nicht noch einmal verlieren.«
Um sie herum brüllten die Leute durcheinander, dazwischen hörte Kiyoshi Milans klare Stimme. Das Horn der Soldaten trompetete zum Angriff. Doch ihm kam es so vor, als ob er und Marje allein auf der Welt waren. Nur für einen Augenblick, ganz allein.
Er lächelte sie an. »Ich geh schon nicht verloren«, flüsterte er. Er gab ihr einen schnellen Kuss, dann löste er sich sanft von ihr.
»In meinem Bündel findest du zwei Dolche«, sagte er. »Ich warte hier auf dich.« Er zog sein Schwert.
Quouran brüllte seine Befehle und die Zentauren rannten an ihm vorbei. Shio kreiste unruhig vor dem Zelteingang.
Im nächsten Moment hörte er ein Sirren in der Luft und ein Pfeil bohrte sich keinen halben Schritt vor ihm in den Sand. Mit einem Satz wich er zurück. Sein Blick raste zum Waldrand.
Bewegung war in die Linie der Reiter gekommen. Ein neuer Ruf des Soldatenhorns – und dann setzten sich die ersten Reiter in Bewegung.
Es ging rasend schnell. In wenigen Augenblicken waren sie heran. Sie preschten mit ihren Pferden vor, rissen die Zelte und Baracken ein und schlugen nach allem, was sich im fahlen Licht der Monde bewegte, während die Zentauren sich ihnen entgegenwarfen und die Angriffsreihen durchbrachen. Kiyoshi hörte ihre Rufe. Sie schrien nach einem weißhaarigen Mädchen. Gehetzt blickte er sich um. Sayuri! Also hatte er doch recht damit behalten, dass Miro nach ihr suchen ließ. Hatte Marje recht damit, dass Suieen sich um sie kümmerte? Und wenn nicht, wie konnte er sie in Sicherheit bringen, wenn er nicht wusste, wo sie war?
Marje tauchte an seiner Seite auf – in ihrer Hand zwei Dolche. In diesem Moment gellte Milans Stimme durch die Nacht. »Kiyoshi – pass auf!«
Ein Angreifer setzte von hinten heran, hielt direkt auf Marje zu. Kiyoshi hob sein Schwert und konterte den mächtigen Hieb des Mannes. Die Wucht der aufeinandertreffenden Schwerter riss den Mann aus dem Sattel. Kiyoshi stieß erneut nach ihm, ehe er sich aufrappeln konnte.
»Lauf«, rief er Marje atemlos zu, während der Mann sich halb erhob und seinen Angriff abwehrte. »Du musst Sayuri warnen. Sie sind hinter ihr her!«
Er parierte den Hieb seines Gegners. Der Mann war von seinem Sturz noch geschwächt, sodass Kiyoshi ihn mit einigen Ausfallschritten in die Ecke zwischen ein Zelt und eine Baracke gedrängt hatte. Mit einem Stoß zielte er zwischen die leichten Ketten des Brustharnisches, sodass der Soldat stöhnend gegen die Baracke krachte und liegen blieb.
Das Schnauben eines Pferdes ließ Kiyoshi herumwirbeln. Gerade noch konnte er sich fallen lassen, als die Hufe eines Tieres neben ihm auf dem Boden aufschlugen. Sand stob auf, halb blind hob er den schwertlosen Arm, um sein Gesicht zu schützen.
Schnell rollte Kiyoshi sich zur Seite und konnte sehen, wie Jouoran mit seinen Vorderhufen Reiter und Pferd zur Seite warf. Der Zentaur konnte kaum Atem schöpfen, als ihm ein anderer Reiter den Weg versperrte und ihn mit seinem Schwert attackierte.
Hastig rappelte Kiyoshi sich auf und riss sein Schwert in die Höhe, gerade noch schnell genug, um einen Hieb, der auf Jouorans Kopf zielte, abzufangen. Der Soldat wendete sein Pferd auf der Hinterhand und ging zum Angriff auf Kiyoshi über.
Klirrend trafen ihre Schwerter aufeinander. Kiyoshi riss seine Waffe zurück und stieß die Klinge in den Pferdeleib. Das Tier bäumte sich panisch wiehernd auf, ehe es zu Boden ging. Mit einer schnellen Abfolge von Hieben griff Kiyoshi den Reiter an, der nun auf Augenhöhe war, bis der Soldat seine Deckung vernachlässigte und es ihm gelang, einen Treffer unterhalb der Schulter zu platzieren, der ihn niederstreckte.
Inzwischen dachte Kiyoshi gar nicht mehr nach, er handelte.
Ohne die jahrelange Übung wäre er beim Anblick des
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