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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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seinen Onkel, der ihn großgezogen hatte.
    »Du fällst das Todesurteil über deinen besten Freund«, sagte er leise.
    Rajar schüttelte den Kopf. »Mein bester Freund ist längst gestorben«, widersprach er und setzte im gleichen Moment zum Angriff an.
    Die Schwerter trafen mit einem harten Laut aufeinander, als Kiyoshi versuchte, den Angriff zu parieren. Der Stoß fuhr durch seinen Körper und ließ ihn die Zähne vor Schmerz zusammenbeißen. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Marje sich aus dem Griff der Soldaten befreien wollte, doch ihre Bemühungen waren vergeblich.
    Mühsam wehrte Kiyoshi Rajars Angriffe ab, versuchte ihnen auszuweichen, ohne dass er Zeit fand, selbst zum Angriff überzugehen. Knapp zischte Rajars Klinge vor seinem Hals entlang. Die Wut, die in den Augen des alten Freundes aufblitzte, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
    Womit hab ich diesen Hass verdient?
    Aber er wusste es. Egal, wie sehr er sich bemüht hatte, das Richtige zu tun, er hatte es doch falsch gemacht.
    Wieder entging er Rajars Klinge nur knapp. Den linken Arm konnte er mittlerweile kaum mehr bewegen.
    Ein schrilles Kreischen ließ ihn zusammenfahren. Er stolperte und fiel. Das Schwert rutschte ihm aus der Hand, als er versuchte, sich abzufangen.
    Kiyoshi stürzte auf den sandigen Wüstenboden. In Erwartung von Rajars Schwertschlag schloss er die Augen. Aber da hörte er wieder diesen krächzenden, durchdringenden Schrei über dem Tal. Mit einem dumpfen Aufschlag fiel etwas direkt neben ihn in den Sand.
    Um ihn herum wurde Gemurmel laut. Plötzlich war Marje bei ihm. Wieso hatten die Soldaten von ihr abgelassen?
    Hektisch zog sie ihn auf die Beine, das Gesicht starr vor Entsetzen. Aber erst als sein Blick auf die dunkle Gestalt fiel, die vor ihnen im Staub lag, verstand er allmählich.
    Rajars Augen standen weit offen. Sein Blick war noch immer dunkel, seine Miene jedoch ausdruckslos. Die Haut spannte sich wie Pergament über den ausgetrockneten Körper. Er sah aus, als wäre er schon vor Wochen in der Wüste verdurstet.
    Ein Schatten legte sich über sie und den Toten.

5. Kapitel
    S ayuri spürte, wie die Müdigkeit aus ihren Knochen wich. Wieder richtete sie den Blick auf einen der Soldaten und zog das Wasser aus ihm heraus, aus dem sie ihre Kraft schöpfen konnte. Es war eins der schrecklichsten Dinge, die sie jemals hatte tun müssen, und gleichzeitig erschrak sie darüber, wie einfach es war.
    Festhalten, befahl der Greif und sie gehorchte, als er erneut zu einem Sturzflug ansetzte und auf die Soldaten hinabstieß, die einen Zentauren bedrohten. Mit seinen Vorderklauen riss der Greif einen Soldaten aus dem Sattel, trug ihn in den Nachthimmel und ließ ihn fallen, als er sich sicher war, dass er keinen Verbündeten am Boden treffen würde.
    Sayuris Blick schweifte über das Lager, das erneut in ein Schlachtfeld verwandelt worden war. Innerhalb kürzester Zeit hatten sie den Kampf für sich entscheiden können. Am Osthang wandten sich die Soldaten bereits zur Flucht.
    Sayuris Blick traf wieder einen der Männer und entzog ihm alles Wasser. Sie konnte die Macht in ihnen spüren. Jeder Mensch, jedes Lebewesen war plötzlich eine potenzielle Energiequelle für sie, so grausam ihr der Gedanke auch vorkam.
    Der Greif stieg in die Höhe, schraubte sich hinauf, bis er zu seinem Gefährten kam.
    Sayuri?
    Suieens Stimme ließ sie aufblicken. Einen kurzen Augenblick lang sah sie auch in ihm nur die Energie, die ungenutzt vor ihr lag, dann schärfte sich ihr Blick wieder und sie erkannte die Sorge in seiner Miene.
    Pass auf, dass du dich im Rausch nicht verlierst! Es reicht. Die Schlacht ist geschlagen!
    Sayuri schluckte schwer und nickte. Ihr Blick fiel auf die Menschen unter ihr und ihr wurde schwindelig.
    Kurz hob sie den Blick zu den Monden. Inzwischen neigten sie sich im Westen dem Horizont zu, bald würden sie verschwinden, während im Osten bereits die Morgendämmerung heraufzog.
    Vage dachte sie an ihre Reise. Sie mussten aufbrechen, mussten fort, ehe Marje …
    Wir müssen los , wollte sie Suieen zurufen, doch sie drang mit ihren Gedanken nicht mehr zu ihm durch.
    Sie spürte, wie ihr Greif in sanften Kreisen über dem Lager niedersank. Seine weit ausgestreckten Flügel schimmerten in den ersten Strahlen des Sonnenlichts, dann versanken sie im Schatten des Wüstentals. Wieder trafen die Füße holprig auf den Sandboden. Sayuri klammerte sich fest, doch sie hatte das Gefühl, kaum noch Kraft in den Fingern zu haben.

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