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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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Gebrüll des Kleinen drang an sein Ohr und ließ ihn erleichtert aufatmen. Im Wasser hatte er einen Augenblick lang Angst gehabt, das Kind sei bereits ertrunken.
    Ein schwerer, warmer Umhang wurde ihm über die Schultern gelegt. »Das war sehr voreilig, Prinz«, flüsterte eine leise Stimme.
    Er sah auf und blickte in die Augen von Hauptmann Binor, Rajars Vater. Trotz des strengen Ausdrucks auf seinem Gesicht leuchtete ein stolzes Lächeln in seinen Augen. Rajars Vater war sein Ausbilder gewesen, er hatte ihn in der Kunst des Schwertkampfs unterrichtet, am Bogen und in strategischer Kriegsführung. Doch Hauptmann Binor war für Kiyoshi noch viel mehr. Während Miro immer ein Stück weit unnahbar blieb, hatte Binor den Prinzen oftmals behandelt wie seinen eigenen Sohn.
    »Ein Hoch auf Prinz Kiyoshi!«, erklang ein Ruf irgendwo in den Reihen der Bürger und einige fielen laut ein.
    Mühevoll kämpfte Kiyoshi sich auf die Beine. Er durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Mit einer Hand klammerte er sich an Rajars Vater, die andere hob er, um der Menge kurz zuzuwinken.
    Gleichzeitig wurde ihm wieder übel, aber diesmal rührte es nicht von der Wunde her. Wie verlogen er war! Was bedeutete schon das Kleinkind, das er aus dem Wasser gerettet hatte, wenn er gleichzeitig doch neben dem Mann stand, der alle Sechzehnjährigen dieser Stadt in die Verbannung schicken wollte? Wenn er diese Entscheidung sogar mittrug!
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich in diesem Moment Miro erneut. Auf seinem Gesicht lag ein tief besorgter Ausdruck.
    »Natürlich«, antwortete Kiyoshi und bemühte sich, den Schmerz aus seiner Stimme zu verbannen.
    Er wusste, dass sein Onkel um jeden Preis verhindern wollte, dass die Kunde, der Prinz sei während seiner Wache niedergestochen worden, sich im Volk verbreitete.
    Er hatte Kiyoshi sogar angeboten, im Palast zu bleiben, anstatt an der alljährlichen Prozession teilzunehmen – aber Kiyoshi hatte abgelehnt. Er hatte sich schon viel zu lange im Palast verkrochen – hatte die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen. Das musste ein für alle Mal vorbei sein.
    Der Umhang, der ihm über den Schultern lag, erschien ihm viel zu schwer, aber er biss die Zähne zusammen. Der Hauptmann legte unauffällig den Arm um ihn und richtete den Stoff des Mantels so aus, dass er über die Schulter nach vorne fiel und seine verletzte Seite vollständig bedeckte.
    Kiyoshi nickte ihm dankbar zu. Er atmete noch einmal tief durch, ehe er den Blick wieder hob. Die Soldaten hatten das Boot in der Zwischenzeit ein gutes Stück weitergerudert und brachten es nun zum Stehen.
    Die Menschen, die sie erwarteten, waren erfüllt von Vorfreude, Kinder standen mit strahlenden Gesichtern am Ufer.
    »Haltet noch ein wenig durch«, flüsterte Rajars Vater. »Am nächsten Tor ist ein Wachhaus, dort werdet Ihr trockene Kleidung erhalten und der Arzt kann nach Eurer Wunde sehen.«
    Kiyoshi nickte knapp und ließ seinen Blick über die erwartungsvolle Menge schweifen, als er plötzlich innehielt.
    Giftgrüne Augen, die starr auf ihn gerichtet waren.
    Beinahe wäre er einen Schritt zurückgestolpert. Auf dem Gesicht des Mädchens spiegelte sich erst Überraschung, dann Erkennen. Ihre Augen weiteten sich, wanderten anschließend zu den Wachen, zu Miro und schließlich zurück zu ihm.
    Kiyoshis Herz schlug schneller in seiner Brust und er spürte, wie Angst und Aufregung mit unruhigen Fingern nach ihm griffen. Und doch war da noch etwas anderes, das er spürte. Ein Funken Freude.
    Freude? Etwa darüber, dass er demjenigen Mädchen wiederbegegnet war, das ihn fast umgebracht hatte? Bei Turu, das Wasser war wirklich zu kalt gewesen!
    Das Mädchen hielt seinen Blick noch immer fest. Stumm starrte sie ihn an, während Miro seine Stimme erhob. Kiyoshi nahm seine Worte kaum wahr. Es war ihm unmöglich, den Blick von dem Mädchen abzuwenden. Ihr Blick huschte kurz zu den Wachsoldaten, dann zu ihm zurück und ihre Augenbrauen zogen sich kaum merklich zusammen, als ihre Augen eine lautlose Frage stellten. Kaum merklich schüttelte er den Kopf. Auf der Stirn des Mädchens bildete sich eine steile Falte zwischen den Augen, als sie diese misstrauisch zusammenkniff. Doch dann wurde sie abgelenkt, als ein Aufschrei des Entsetzens durch die Menge ging. Der Kopf des Mädchens schnellte in Miros Richtung.
    »Nun können wir unseren Blick nicht länger verschließen«, ertönte die Stimme des Regenten über den Fluss.
    Kiyoshi unterdrückte ein Stöhnen. Am liebsten

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