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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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die aufgebrachte Menschenmenge in ihrer Wut und ihrer Angst einfach hinter sich.
    Kiyoshi spürte die hasserfüllten Blicke wie Nadelstiche, die sich in seinen Rücken bohrten.
    Er selbst war kaum älter als dieses dunkelhaarige Mädchen am Ufer. Wenige Tage nur trennten ihn von jenem Jahr, das die Sterne damals verflucht hatten. Kiyoshi warf einen Blick auf Lauryn, den jungen Mond, der zurückgekehrt war, um den Frühling zu bringen. Dieses Jahr würde niemand in der Stimmung sein, sein Erscheinen ausgelassen zu feiern.
    »Wie fühlst du dich?«, erkundigte sich Miro leise.
    Langsam drehte Kiyoshi sich zu ihm um.
    »Du bist bleicher als Elfenbein«, erklärte sein Onkel die Frage mit einem freudlosen Lächeln. »Ist es die Wunde?«
    Kiyoshi zog die Schultern hoch. »Ich fühle mich wie ein Henker, um deine erste Frage zu beantworten. Von der Wunde spüre ich nichts.«
    Was nicht stimmte. Die Verletzung an seiner Seite pochte immer heftiger, als wollte sie ihn mit aller Macht an den Angriff erinnern.
    Miro musterte ihn regungslos. »Es ist nicht leicht zu regieren. Macht heißt auch immer, Verantwortung zu übernehmen«, erklärte er. »Für andere, für sich selbst.«
    Kiyoshi hatte diese Sätze schon oft von ihm gehört, aber das erste Mal schien er sie in ihrer ganzen Bedeutung zu erfassen. Er wandte seinen Blick dem Tor zu, durch das sie ins nächste Viertel kommen würden. Die Menschen am Ufer schauten ihnen nach. Das Lachen war aus ihren Gesichtern verschwunden, als hätte der Wind es mit sich fortgetragen. Selbst die bunten Lampions schienen trostlos im Wind zu schaukeln und ihre Lichter flackerten, als ob sie gleich erlöschen wollten.
    Tief atmete Kiyoshi die klare Nachtluft ein und wünschte sich an den Schrein, um Turu, Tshanil und Lauryn um Vergebung zu bitten, dass er nicht die Stärke besaß, diese Sechzehnjährigen vor dem Schicksal der Verbannung zu retten.
    Und als er den dunklen Riss entdeckte, der sich quer über Lauryns blaues Gesicht zog, erschien es ihm nur gerecht. Der schwarze Schatten, der Lauryns strahlende Pracht durchzog, legte sich auf seine Seele.
    Die Hochrufe am Ufer wurden lauter. Die Boote hatten die nächste Wegkreuzung erreicht, wo sich abermals die Menschen sammelten, Liganer wie auch Taller. Kiyoshi wagte kaum, den Blick in die Gesichter der Menge zu richten, die noch nicht ahnen konnten, welche Botschaft sie gleich erreichen würde. Wie viele von ihnen hatten sechzehnjährige Söhne und Töchter? Wie viele Enkel in dem Alter?
    Sein Blick streifte eine Familie, dann ein paar Halbwüchsige, die fröhlich winkten, schließlich eine Mutter mit einem Kind, das höchstens drei, vier Jahre alt war. Der Kleine hatte das Gesicht zornig verzogen, er zerrte an der Hand der Frau und rief irgendetwas, das Kiyoshi nicht verstand.
    Schließlich riss sich der Kleine los, rannte wie ein Wiesel auf seinen kleinen Füßen los, immer am Ufer entlang. Er winkte dem kaiserlichen Boot, sein Gesicht nun ganz aufgeregt, offenbar versuchte er, mit der Prozession Schritt zu halten.
    Und dann geschah es. Der Kleine verlor das Gleichgewicht und stürzte in den Shanu. Kiyoshi konnte gerade noch sehen, wie er strampelnd im Wasser versank.
    Ohne zu zögern oder nachzudenken, sprang er ins Wasser. Einen kurzen schrecklichen Augenblick lang war er blind, als er in den Fluss eintauchte. Dann sah er im Mondlicht einen kleinen Körper, der ein Stück unter ihm in die Tiefe sank. Mit zwei kräftigen Schwimmzügen war er bei dem Kind und packte es im Nacken. Um sie herum war das Wasser trüb, nur über ihnen war ein schmaler Lichtstreifen zu erkennen, die Stelle, an der zwischen den Booten das Mondlicht auf die Wasseroberfläche fiel. Mit einem Bein stieß er sich vom Boden des Flusses ab, als ihn ein stechender Schmerz durchzuckte. Seine Wunde musste sich geöffnet haben.
    Er spürte, wie seine Kraft nachließ, doch er biss die Zähne zusammen. Endlich durchbrach sein Kopf die Wasseroberfläche. Mehrere Hände griffen nach ihm, um ihn in eines der Boote zu ziehen. Er spürte, wie ihm das Kind aus dem Arm genommen wurde. Dann wurde auch er hochgehoben. Halb blind vor Schmerz tastete er um sich und klammerte sich an die Bordwand. Tief sog er die klare Nachtluft ein, dann wurde ihm plötzlich übel, als die Schmerzen in seinem Körper zu explodieren schienen. Er drückte eine Hand auf seine Wunde und versuchte stöhnend, sich aufzurichten.
    Eiskaltes Wasser tropfte aus seinen Haaren und lief ihm übers Gesicht. Das

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